Freitag, 7. Juni 2013

Superlative Ostafrika - Teil 1 - Kenia



Äthiopien liegt nun doch schon ein Weilchen zurück und wir befinden uns schon seit einigen Wochen in Ostafrika. So erscheint es uns als durchaus angebracht mal wieder ein paar interessante Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen unserer Reise Preis zu geben. Immer mehr kristallisiert sich auch heraus, das diese Website bezüglich ihrer Aktualität sicherlich kein Tagebuch ist.. Wer mein DISG-Profil kennt, weiß dass Stetigkeit sicherlich nicht meine Stärke ist..;) Somit liegt der Fokus des Reiseberichts nicht auf den kurzen Abständen zwischen den Einträgen als viel mehr auf der Vollständigkeit und Qualität des Berichteten.. (kriegt er nun damit seinen Kopf aus der Schlinge...??)

To all the international followers, that use the google-translation-tool: At the moment i don't think there would be a english version of the blog in the future.. Main reason for the blog is to get some information about africa and our journey transported to the people back home.. so I am gonna continue writing in german.. sorry for that..

Herzlich bedanken möchten wir uns für die vielen positiven Rückmeldungen! Anscheinend gibt es doch ein paar interessierte Leser, die sich für unsere Geschichten interessieren. Darüber hinaus bekommen wir des Öfteren ein Lob für die vielen Bilder. Wir werden versuchen weiter viele Bilder zu posten, jedoch dauert es immer ein wenig, bis diese sortiert, selektiert, verkleinert und dann bei afrikanischen Upload-Geschwindigkeiten und der hiesigen Stromnetz-Stabilität auf den Server geladen sind.. Allein hierfür brauchen wir jedes mal mindestens 3 Tage…

Wer auf Facebook mit uns befreundet ist oder ab und an mal eine Email schreibt/bekommt kennt die guten Neuigkeiten ja bereits: Wir haben ihn überlebt, den „Lake Turkana Death Track“!! J Und nicht nur diesen. Was uns danach erwartet hat lässt sich als jenes Afrika beschreiben, wie man es sich in seinen Träumen vorstellt. Wir tauchen ein in Afrikas Superlative. Hohe Berge, große Seen, reißende Flüsse, undurchdringliche Regenwälder, endlose Savannen und eine anmutende und unzählig-vielfältige Tierwelt. Unsere Ostafrika-Route führt uns einmal um den Victoriasee durch Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und Tansania. Wir sind im Herzen Schwarzafrikas unterwegs und erleben hautnah wie Korruption, Stammesrivalitäten, Kapitalismus, High-Price-Tourismus, Entwicklungshilfe und schließlich die täglichen Regenfälle während der Regenzeit das Land formen.

Doch erstmal geht’s durch heiße Wüstenlandschaften und trockene Steppen auf einer 1000 km Off-Road-Strecke - von Äthiopien nach Kenia.

Also einsteigen und Rock’n’Roll:

Es ist Mitte Februar und wir befinden uns in dem Dorf Ormorate, dem südwestlichsten Zipfel Äthiopiens. Unsere Ausreiseformalitäten haben wir bereits am vorigen Tag erledigt und unsere letzten äthiopischen Birr haben wir für die bevorstehende Hitze klug in Flüssigkeit investiert - ein paar Fruchtzwerge St. George Bier. Die Lebensmittelvorräte sind aufgefüllt, sämtliche Tanks sind voll und die Fahrzeuge bekommen einen letzten Check – Dann geht es los. Wir verlassen Ormorate und nach ca. 15 km kommen wir an den Eingang der „Lake Turkana Route“. Hoch konzentriert, voller Vorfreude aber auch mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch biegen wir in die Route ein. Die Geschichten, welche wir die letzten Monate über diese Route gelesen und gehört haben, geben uns zwar kein klares Bild, jedoch eine grobe Vorstellung: „Seid Vorsichtig“ ist die Devise. Handyempfang gibt es natürlich nicht. Trinkwasser – Fehlanzeige. Die Menschen die in dieser Gegend leben verfügen über ein paar zerfetzte Kleider, jedoch nicht über Englischkenntnisse. Der Track ist fahrbar, aber sicherlich keine Handelsroute. Die Chance auf „vorbeikommende Fahrzeuge“ ist damit quasi gleich null. Ein irreparabler Schaden am Fahrzeug kann daher zu großen Problemen führen, da so gut wie keine Hilfe zu erwarten ist. Das Risiko von bewaffneten Überfällen ist uns bekannt. Und trotzdem denken wir, dass diese Route für unser Team die Richtige ist. Also los!!

ob die Nerven wirklich aller Teammitglieder durchhalten wird sich erst noch zeigen müsssen...
Die ersten Kilometer werden von Staub und Sand beherrscht. Das Thermometer klettert bereits in den frühen Mittagsstunden auf Werte jenseits der 40°C. Die Hitze ist krass, aber die Trockenheit macht sie erträglich. Im Konvoi fahren wir durch ausgetrocknete Flüsse, verdorrte Steppen und kleine Hütten-Dörfer. Wir können nicht schnell fahren, jedoch versuchen wir trotzdem Strecke zu machen und unnötige Pausen zu minimieren. Wir versuchen die tägliche Fahrzeit auf ca. 14 Std. anzuheben um nicht unnötig lange in gefährlichen Gebieten zu bleiben. Nach ein paar Stunden erreichen wir ein Gebäude. Ein Fahnenmast und ein Seil deuten uns an – dies muss die Grenze nach Kenia sein.

topless british gentlemen between the states. Grenze Äthiopien - Kenia
Kurze Zwischenpause, ein paar "rescue bisquits" und weiter gehts.
Unendliche Tracks durch triste Landschaften...
...was nicht bedeutet, dass dort nichts lebt...
... oder niemand...
... es als seine Heimat definiert!!
Ein Stift für ein Foto - so ist der Deal!
Die Flussbette sind derzeit ausgetrocknet. Unser Glück!!
Durchatmen..

Formalitäten zu erledigen gibt es an der Grenze nicht, da diese Route für Kenia keinen offiziellen Grenzübergang besitzt.. Wir fahren weiter. Die Landschaft ist trist und Menschen begegnet man nur noch sehr selten. Gegen Nachmittag deutet uns ein Schild an einer Weggabelung an, dass der Track geradeaus in einen Nationalpark führt. Gate oder Schranke gibt es hier nicht, jedoch wissen wir von anderen Overlandern, dass man am nächsten Tag, wenn man den Park verlässt, abkassiert wird. Wir umfahren den Park und nehmen die längere Route in Kauf. Wir fahren noch ein paar Stunden und es beginnt zu dämmern. Die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz beginnt. Buschcampen ist in dieser Gegend zwar eigentlich keine gute Idee, aber was tun wenn die Nacht hereinbricht.. Wir haben Glück! An einer Wegzweigung kommen uns ein paar bewaffnete Kenianer entgegen. Sie fragen uns was wir hier machen, wohin wir wollen und ob wir nicht wissen würden, dass diese Gegend gefährlich ist… Wie sich herausstellt sind wir in der Nähe eines kleinen Außenpostens der kenianischen Polizei. Fünf junge Männer sind hier stationiert, da es an der benachbarten Quelle immer wieder zu Schießereien zwischen den hier lebenden Stämmen kommt. Auf einem kleinen Hügel mit gutem Blick über die Quelle befindet sich ihr Lager. Wir müssen nicht fragen, sondern werden dringlich eingeladen, die Nacht unter polizeilicher Bewachung auf diesem Stützpunkt zu verbringen. Dankend nehmen wir an – und unsere Unsicherheit bezüglich eines sicheren Übernachtungsplatzes verflüchtigt sich damit. Der Stützpunkt besteht aus einer Hand voll runder Blechhütten welche mit verschiedenen Lebensweisheiten bepinselt sind. Zwei Blechdosen, die mit Zement aufgefüllt und mittels einer Stahlstange verbunden sind dienen als Trainings-Gewichte und verraten wo sich der hiesige Fittnesbereich befindet... Fliesendes Wasser gibt es nicht. Strom auch nur von einem Aggregat, das jedoch ausschließlich für die Funkstation betrieben wird. Wir finden einen guten Platz für die Fahrzeuge und Claires Zelt und werden sogleich nach unserer Ankunft auf eine heiße Tasse Tee eingeladen. Doch mit ein bisschen Earl Grey und einem sicheren und äußerst geselligen Übernachtungsplatz ist die kenianische Gastfreundschaft bei weitem noch nicht zu Ende. Wir sind hungrig und das sieht man uns anscheinend an.. „You must be hungry! - We’re going to slaughter a goat!“ sagt Jim, einer der Polizisten zu uns. Als Reisender so ein Angebot auszuschlagen ist nicht nur in Afrika ein Tabu – was uns zu diesem Zeitpunkt wirklich entgegenkommt. Die Initiative ist schnell ergriffen und ehe wir uns versehen ists auch schon eine Ziege weniger. Als Hauptspeise steht also gehacktes und gekochtes Ziegenfleisch auf der Speisekarte und als Beilage gibt es Ugali, eine Art festgekochter Getreidebrei, der aus Maismehl gemacht wird. Geschmacklich nicht gerade ein Feuerwerk sorgt dieser jedoch für ein äußerst solides Völlegefühl. Wir Steuern ein paar Mangos und Bananen bei und revanchieren uns mit einem leckeren Obstsalat als Nachspeise. Entgegen unserer ersten Annahme wurden die Jungs nicht Zwangsversetzt, sondern sie liebäugeln mit einem besseren Einsatzort und mit besserer Bezahlung, sobald sie ihren Dienst in dieser Lebensfeindlichen tristen Wüstengegend angeschlossen haben. Versorgt werden Sie von einem LKW, der alle zwei Wochen Konserven vorbeibringt und von den hiesigen Stämmen, welche sich dadurch natürlich etwas mehr Gehör bei auftretenden Konflikten verschaffen wollen. Auf die Frage: „What‘s the last time you guys had fresh fruits or vegetables?“ bekommen wir ein unglaubliches „last october“!! zu hören – und wir würden am liebsten unseren eigenen Anteil Obstsalat wieder ausspeien…
Beschützt von zwei patrouillierenden Polizisten haben wir eine sehr windige, aber sorglose Nacht. Am nächsten Morgen werden wir wieder mit heißem Tee geweckt und nach einem internationalen gemeinsamen Frühstück verabschieden wir uns von den fünf jungen Herren! Wir sind begeistert von unserer ersten kenianischen Begegnung und starten zuversichtlich in die nächste Offroad-Etappe, welche uns an die Küste des Turkana-Sees bringen soll.

Unser Nachtlager - die Polizeistation an der umkämpften Quelle.
Mehr oder weniger einladende Botschaften sind auf den Hütten zu finden.
Die Ziege ist schnell geschlachtet...
... und macht 10 hungrige Kreaturen satt!

Die Landschaft verändert sich kontinuierlich. Mal fahren wir durch buschige und dornige Savannengebiete, danach durch sandige Palmenhaine und schließlich durch schroffe Steinwüsten, die bis zum Horizont reichen. Nur noch ein paar Kilometer und wir erreichen die Küste zum Turkanasee. Die Landschaft um den See ist geprägt von grobem Geröll aus Vulkangestein. Die Fahrzeuge tun sich sichtlich schwer in diesem Gelände. Um unser Fahrwerk nicht zu ruinieren müssen wir die Geschwindigkeit auf 15 km/h verringern und wir kriechen langsam, jedoch kontinuierlich dahin. Am frühen Nachmittag erreichen wir den See. Er ist einer der ersten großen Seen des Grabenbruchs und wir sind begeistert von dessen Anblick. Eine kurze Pause gönnen wir uns und dann geht’s auch schon weiter. Wir wollen noch bis an den Südzipfel des Sees kommen, da wir wissen, dass es hier eine Art Hostel mit Campingmöglichkeit gibt. Bei unseren 15 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit wollen wir jedoch nicht allzu viel Zeit auf der Strecke verlieren und lieber früher als später (oder vielleicht gar nicht…) ankommen. Der Track wird gottseidank wieder besser und wir können die letzten 50 km mit ca. 35 Sachen dahinbrettern..;)

Nur damit es niemand vergisst: 4.2 Liter Turbocharched!!
Und ja, auch Matilda von den britischen Jungs fährt wieder!
Ey, hast du mir ins Gesicht gepupst?
Sehr abwechslungsreiche Landschaften ...
... wie sandige Palmenhaine...
... und Wüsten aus Vulkangestein...
... bringen uns zum Lake Turkana!
Urs am See
Am dritten Tag wird deutlich, dass wir tiefer ins Landesinnere Kenias kommen. Unsere Landkarten und GPS-Infos zeigen uns an, dass es wieder vereinzelte Dörfer gibt, die für Karten erwähnenswert sind. Wir bewegen uns nun nicht mehr im Sand, sondern auf roter Erde und durchqueren Grassavannen die mal mehr und mal weniger dicht mit Akazien bewachsen sind. Wir befinden uns im Gebiet der Samburu. Die Samburu sind ein stolzes Volk von Kriegern und Nomaden. Sie leben von der Viehzucht und pflegen traditionelle Kleidung und traditionellen Schmuck zu tragen. Dutzende bunte Perlenketten werden um den Hals getragen und die jungen Männer färben ihre langen Haare und Stellen der Haut mit roter Erde ein. Leider haben wir keine Fotos von unseren Begegnungen mit den Samburu, da wir es vorziehen unser Interesse erst mit Gesten und Worten statt gleich mit der Kamera kund zu tun. In dem Dorf ‚South Horr‘ suchen wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Es gibt hier eine Schule, eine christliche Mission und auch ein paar Läden mit Handelsprodukten, also hält bereits nach 3 Tagen die einfache Zivilisation wieder Einzug. Leider lernen wir bereits hier die dunkle Seite dieser Zivilisation kennen. Bereits am Ortseingang werden wir von zwei Samburu-Kriegern begrüßt. Am helligten Tage, völlig besoffen und mit einem Joint in der Hand sind diese beiden Gestalten weder im Stande gerade zu stehen, noch fokussiert zu kommunizieren - Ein Trauerspiel.. Wir fahren weiter um die Ortschaft zu erkunden und stellen fest, dass diese beiden leider nicht die einzigen „Zivilisationsopfer“ sind..
 
Da wir uns immer noch in „Kritischer Zone“ befinden geht’s am nächsten Tag freilich wieder früh weiter. Wir müssen weiter über Baragoi und sowohl befreundete Overlander, die jene Route ein paar Wochen vor uns befahren haben, als auch die Polizisten des Oasen-Stützpunktes haben uns dazu angehalten, in und um Baragoi Augen und Ohren gut offen zu halten. Wie immer, im Konvoi und ohne große Abstände zwischen den Fahrzeugen, geht es weiter. Nach ein paar Stunden Fahrzeit erreichen wir dieses berüchtigte „Baragoi“. Der Ort selbst ist eher unspektakulär. Wir nehmen Militärpräsenz wahr, aber nichts was uns sonderlich beunruhigt und was wir nicht schon aus anderen Ländern kennen würden. Ohne Zwischenstopp und Zwischenfälle geht es durch den Ort und weiter gen Süden.
Wie wir später von ein paar befreundeten Engländern erfahren gab es ein paar Tage nach unserer Durchfahrt einen bewaffneten Überfall auf einen Pfarrer mit Kindern in seinem Landcruiser. Die Fotos der Einschusslöcher in dessen Fahrzeug sprechen klare Worte - Es wird hier nicht lange gefackelt… Wir hatten Glück.

Eine große Savanne öffnet sich und wir sehen Antilopen, Gazellen, Strauße und passieren haushohe Termitenhügel. Bereits am frühen Abend kommen wir in unserem heutigen Ziel, der Kleinstadt Maralal, an. Zwar sind wir noch ca. eine halbe Tagesetappe von „richtiger Infrastuktur“ entfernt, aber bereits hier in Maralal gibt es eine Tankstelle und eine Bank mit ATM (Geldautomat), an der wir uns mit kenianischen Schillingen eindecken können. Am nächsten Morgen und damit fünften Tag der „Lake Turkana Route“ (man merkt schon: „Death Track“ ist für uns kein passender Ausdruck mehr) geht’s noch ein paar Kilometer über sandige und trockene Pisten. Wir erreichen die A2, welche von Isiolo nach Marsabit führt. Astreiner, schnurgerader, traumhafter und schlaglochloser Asphalt – ein Mekka! Wir schlagen den Weg nach Isiolo ein. Einerseits sind wir dankbar, dass es nun etwas flotter weitergeht, andererseits werden wir von äußerst präsenten Offroad-Entzugserscheinungen geplagt.. Kein Gerüttel, Geschaukel, Geklopfe und Vibrieren mehr... Kein Einstauben, Durchgehen, Aufsitzen und Festfahren mehr… Kein Ausweichen, Querlenken, Runterschalten und Spursuchen mehr… Es geht einfach dahin, wie auf Schienen, mit 80 Sachen, Nase im Wind - und auf der linken Straßenseite!

Die Vegetation nimmt wieder zu...
... und endlich erreichen wir sie: Die rote Erde Afrikas!!!
Meterhohe Termitenhügel
Man beachte das Bett links oben!!
Kurzer Stopp vor der letzten Etappe...
... und wir sind wieder auf Asphalt!
Zwischen den Verkehrsteilnehmern Kenias und denen Äthiopiens gibt es einen signifikanten Unterschied. In Äthiopien laufen die Leute zu Fuß, in Kenia wird geradelt! Klapprige alte Drahtesel rollen überall durch das Land und der Ausdruck Drahtesel passt sicherlich kaum besser als hier in Kenia. Was in Äthiopien die Esel durch die Gegend tragen wir hier auf den Radln von A nach B gestrampelt. Egal wie groß, schwer, unhandlich oder gefährlich die Ladung ist. Mitm Radl kann man hier wirklich alles transportieren und transportieren lassen. Auch sich selbst. Ja, in Deutschland verboten und von der Polizei, in Kenia das normalste der Welt und für Fahrradtaxifahrer eine gute und wichtige Einnahmequelle, sich auf dem vornehm gepolsterten und mit Fußrasten ausgestatteten Gepäckträger eines Rades an sein Ziel chauffieren zu lassen. (soeben wird mir bewusst, die verkorkst und lächerlich es eigentlich ist, einer Gesellschaft das Mitfahren auf einem Fahrradgepäckträger zu untersagen – freu mich schon auf den Kulturschock back at home…)

Ob der noch unter den 4 Metern bleibt...?
Drahtesel tragen hier alles...
...egal ob 378 Bananen...
... oder 4 Zentner Reis.
Noch sind die Kisten leer.
Hätten wir mit 14 gewusst, wie man 4 Kisten Bier auf einem Mofa transportiert...
... dann hätte man uns diese Jungs vielleicht gleich hinterher schicken müssen...

 
In Isiolo gönnt sich unser Lake Turkana Team einen Tag Pause bevor wir uns trennen und wieder eigene Wege gehen. Claire fährt weiter nach Nairobi, die britischen Jungs haben eine Verabredung in einem naheliegenden Nationalpark und Josef und Ich zieht es zum nächsten Berg. Der Mount Kenia beschäftigte uns schon bei den Reisevorbereitungen Zuhause. Für dessen Besteigung gibt es viele Gründe. Er ist der erste 5000er auf unserer Reise, der zweithöchste Berg des Kontinents, er befindet sich fast genau auf dem Äquator, die Gipfel befinden sich oberhalb der Schneegrenze, die Regionen dazwischen sind stark vergletschert und die höchsten Gipfel können nur mit etwas technischer Kletterei erreicht werden. Nach einigen heißen Tagen in der kenianischen Wüste also genau der richtige Spielplatz für uns..;)


Wir verabschieden uns von den anderen und cruisen (entspannt, ohne Geholper und Gepolter) nach Naro Moru, einem Ort am Mount Kenia Nationalpark und Startpunkt der gleichnamigen Route auf den Berg. Bereits die Fahrt zu diesem Ort ist faszinierend. Exponiert und mächtig trohnend über der Landschaft ist der Gipfel schon von vielen Kilometern Entfernung zu sehen. Stolz präsentiert sich das Massiv und uns wird schnell klar, dass die Zwillingsgipfel „Batian“ und „Nelion“ nicht ohne Grund nach den mächtigsten Maasai-Häuptlingen Kenias benannt sind. Noch als wir um den Berg herumfahren bekommen wir eine SMS von den BritBoys: „have seen the mountain – looks like a beast! Good luck with the climb!“ Wir sind uns einig, da oben wird es sicherlich spannend… 

"The Beast" - Mt. Kenya
In welchem Richtungssinn dreht sich das Wasser im Badewannenausguss, wenn diese genau auf dem Äquator steht??
Wir passieren den Äquator und kommen in Naro Moru an. Innerhalb von Sekunden werden wir von einem „Tour Operator“ aufgegabelt. Dieser organisiert Touren für den Mt. Kenia und schleppt uns gleich in sein Büro, das Hinterzimmer eines kleinen Supermarktes. Wir erklären ihm was wir so vor haben und er arbeitet ein Angebot für uns aus: 4 Tage Nationalpark, 1 Guide (Herr Dunkin) für die Kletterrouten am Gipfel, 2 Porter, die etwas Essen und unser Zelt schleppen und Ausleihgebühren für das Gletscherequipment: Vierstelliger US-Dollar-Bereich only! – wir lehnen dankend ab…
Nächster Plan - in den Simien Mountains in Äthiopien haben wir Erika und Roland, ein österreichisches Pärchen kennengelernt. Sie haben uns bereits damals einen Guide für den Mt. Kenia empfohlen und so ziehen wir das kleine Zettelchen mit der Nummer hervor und treffen uns mit Steve. Ob Steve nun ein Guide ist, oder aber ein verkappter „Tour Operator“ – wir wissen es nicht genau. Er selbst würde nicht mit uns auf den Gipfel klettern, sondern uns an einen Herrn Dunkin als Guide für die Kletterroute verweisen.. sein letztes Angebot: fast vierstelliger Us-Dollar-Bereich only! – wir sind frustriert…
Irgendetwas läuft hier gewaltig falsch, so unser Eindruck. Wirklich transparent sind die Angebote der „Tour Operator“ nicht, wo landet die ganze Kohle und wer ist eigentlich dieser Herr Dunkin…
Wir brauchen Transparenz. Wir wollen diesen ominösen Mr. Dunkin kennen lernen. Er ist Kletterguide, im ÖAV ausgebildet und derjenige, der die Route mit uns durchklettern würde. Wir bekommen eine Idee davon, was er verdient, was die Porter bekommen und wie hoch die Eintrittsgebühren für den Park selbst sind – es bleibt beim alten Angebot.
Wir entscheiden erstmal nichts und wollen die Geschichte überdenken. Ein Ausflug zum Gate des Nationalparks bestätigt das Angebot von Steve. Allein der Eintritt in den Nationalpark macht bereits die Hälfte der Kohle aus… Etwas frustriert über die deutliche Erkenntnis, dass Ostafrika mit seinen intensiven und hochpreisigen Tourismusprogrammen ein großes Loch in unseren Geldbeutel stanzen wird, fahren wir in eine Jugendherberge um einen Stellplatz für die Nacht zu organisieren und uns gedanklich zu sortieren. Joseph ist Besitzer und Manager des Mount Kenia Youth Hostels und ein sehr zuvorkommender Mann mittleren Alters. Wie der Zufall es will ist er ein alter Freund von Mr. Dunkin und bietet uns an bei erneuten Preisverhandlungen direkt mit Mr. Dunkin zu helfen. Es geht noch einmal los - hin und her und her und hin - am Ende aber können wir ein Modell ausarbeiten, mit dem alle zufrieden sind. Wir machen die Tour! Mit Dunkin als Guide und zwei Nachbarn von Joseph als unsere Porter. Wir vereinbaren uns für den nächsten Morgen um alles vorbereiten zu können und dann in den Nationalpark zu starten.

schnell alles herrichten...
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Hier eine kurze Infobox zum Thema Bergsteigen in Ostafrika, denn der Unterschied zum alpinen Bergsteigen könnte nicht größer sein. Sämtliche für Touristen interessante Berge sind als Nationalparks ausgewiesen. Um dort rein zu kommen braucht man eine „Permit“ von der hiesigen Nationalpark-Verwaltung die kräftig bezahlt werden will. Sowohl der Aufenthalt, als auch die Übernachtung ist zu entlohnen. Diese Kohle geht also an diese staatliche Organisation. Häufig sind Aufenthalte in den Nationalparks an gewisse „Restrictions“ gebunden. Darin wird z.B. die Anzahl der mindestens benötigten Guides, Porter oder Ranger geregelt, denn die lokale Bevölkerung soll ja fleißig am Bergtourismus mitverdienen. Alleine los zu ziehen ist also in den meisten Fällen durch die offiziellen Parkregeln untersagt. Darüber hinaus gibt es in den meisten Fällen nur „Pakete“ zu kaufen. Dies bedeutet, sobald man nicht nur etwas herumwandern, sondern zum Beispiel eine Gipfelbesteigung im Nationalpark machen möchte, muss man ein Minimum an Tagen im Nationalpark kaufen. Häufig kommen dann noch extra Gebüren wie eine "rescue fee" hinzu. Benötigt man nun ein oder zwei Tage weniger für die entsprechende Tour, so hat man einen oder eben zwei Tage umsonst bezahlt. Auch eine DAV-Rettungsversicherung interessiert natürlich niemanden und man hat die lokale Rettungsgebür zu zahlen. Rückerstattung gibt es natürlich in keinem der Fälle. Die Bergsteigerei in Afrika gehört also nicht gerade zu den Dingen, die man spontan, günstig und eigenveratwortlich angehen kann... schade drum!!
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Der Urs ist voll beladen. Wir beide, die zwei Porter und unsere 4 Rucksäcke passen gerade so hinein. Unseren Guide brauchen wir nur für den Gipfel, nicht für den Zustieg und wir haben uns für den nächsten Tag auf der letzten Hütte mit ihm verabredet. Zu viert fahren wir in den Nationalpark und machen bereits ein paar Höhenmeter bis zu einer meteorologischen Station, wo wir unser Auto für die nächsten Tage parken können. Von dort aus geht es zu Fuß weiter. Die Gegen ist spektakulär! Wir durchlaufen den Regenwald, der sich durch die Wolkenansammlungen hier gebildet hat und gelangen oberhalb der Baumgrenze in eine üppige Vegetation an Hochgras und Büschen. Einige Kilometer geht es dahin und mit zunehmender Höhe verändert sich die Landschaft weiter. Wir gelangen ins Moorland, das durch hohe Niederschläge, Gletscherbäche und große Lobelien geprägt ist. Es geht hinauf auf einen Rücken und von dort aus sehen wir das vor uns liegende Massiv aus nächster Nähe. Da ab der Mittagszeit dort oben dichter Nebel aufzieht bekommen wir die beiden Hauptgipfel leider nicht zu sehen, jedoch tut das dem imposanten Eindruck keinen Abbruch. Wir marschieren weiter und kommen gegen 16:00 Uhr am MacKinders Camp (4300m) an. Ein paar Norweger sind bereits da. Sie wollen am nächsten Tag einen Nebengipfel erklettern und am folgenden Tag dann den Nelion (5189m) ersteigen. Dieser ist auch unser Ziel, da die Nordroute zum Batian in dieser Jahreszeit nicht möglich ist. Wir machen es uns gemütlich und gehen früh zu Bett.

blue-monkey
Senezien vor Gipfelkulisse
Hochlandsteppe
McKinders Camp

Für den zweiten Tag steht eigentlich so einiges an. Aufstieg zur Austrian Hut auf ca. 4800 Meter, von dort zum dritthöchsten Gipfel, dem Point Lenana (4995 m) aufsteigen, wieder runter zur Austrian Hut, hoffen dass Dunkin dann bereits da ist um dann den Gletscher zu überqueren und die ersten Seillängen der Wand zum Nelion ausprobieren. Ein Tag der Akklimatisierung und kleinen Kletterei also – es kommt anders. Wir starten morgens ohne unsere Porter, denn die wollen ca. eine Stunde später aufbrechen. Auf der Austrian Hut sind wir recht schnell. Statt der prophezeiten 3 Stunden brauchen wir nur knapp 1,5 und auch der Point Lenana (Mit übrigens dem höchsten Klettersteig der Welt) ist nach guten 30 Minuten erreicht.. Wir steigen wieder ab zur Austrian Hut. Bereits beim Abstieg beginnt es leicht zu schneien. Wir kommen an der Hütte an, aber noch sind wir die Einzigen dort oben.. Der Schnee wird immer heftiger und wir ruhen uns ein bisschen aus. Eingelümmelt in alles was wir finden können dösen wir im Matratzenlager vor uns hin. Die Zeit vergeht langsam und draußen wird es immer ungemütlicher. Nach 5 Stunden warten ist es bereits 15 Uhr, jedoch kein Porter und kein Dunkin in Sicht (apropo Sicht, diese beträgt eh gerade nur noch 3 Meter...) Wir kalkulieren für den Abstieg zum MacKinders Camp ca. 1 Stunde und müssten gegen 16:30 starten um noch bei Tageslicht dort anzukommen. So ganz wissen wir natürlich nicht was dort unten los ist. Gab es einen Unfall? Ist Dunkin vielleicht gar nicht aufgetaucht (aber wieso sind unsere Porter dann nicht alleine nachgekommen) oder ist es den Schwarzafrikanern dort oben bei Schnee einfach nur zu kalt? ;) Es ist halb 5 und wir steigen ab. Etwas enttäuscht natürlich, da jeder Tag im Nationalpark bare Münze bedeutet und wir diesen Tag im wahrsten Sinne des Wortes „verschlafen“ haben, - aber andererseits wissen wir ja auch nicht, was dort unten los ist.. Inzwischen liegen einige Zentimeter Neuschnee und wir stapfen durchs Weiße. Josefs Begeisterung hält sich in Grenzen, aber mein Skifahrerherz hüpft erstmal im Dreieck - diesen Jahrhundertwinter in der Heimat verpasst zu haben ist natürlich keine leichte Kost für mich gewesen. Ein Zeichen wird gesetzt!! Wir steigen weiter ab und nach ca. 300 Höhenmeter sehen wir drei Leute mit einen regenbogenfarbenen Regenschirm aufsteigen. Wie sich herausstellt handelt es sich um Dunkin und unsere zwei Porter. „We expected it is to cold for you and you would come down.“ hören wir als Rechtfertigung. Wie bitte?? Haben uns die Jungs halt einfach über 6 Stunden auf der Hütte warten lassen, weil sie damit gerechnet haben, dass wir eh ins tiefere und gemütlichere MacKinders Camp absteigen… Weit gefehlt, wir drehen um und steigen wieder zur Austrian Hut auf!


Ankunft an der Austrian Hut - und es beginnt zu schneien...
Panorama vor der Austrian Hut - von links: Nelion-Peak, Lewis Gletscher und Point Lenana
Point Lenana (4995m)
höchster Klettersteig der Welt..;)
wie zwei kleine Schuljungen warten wir auf unser verspätetes Team... dazu ein paar Nüsse und ne Mango..;)

Eine Liebeserklärung an den Winter!
Unsere eingesammelten Schäfchen auf dem Weg ins trockene...
Am nächsten Tag sind wir etwas gerädert. Auf 4800 Meter zu Schlafen ist keine leichte Aufgabe mehr und die Kälte und der Wind helfen natürlich noch nach. Der Schnee ist nicht wirklich weniger geworden aber wir wollen den Gletscher überschreiten und uns freilich noch die ersten Seillängen der Wand anschauen. Nach einem kurzen Frühstück geht’s los. Über den Gletscher und nach einer Stunde über Geröll stehen wir an der Wand. Diese ist eisig und verschneit. Dunkin ist im Vorstieg. Wir kommen nur langsam voran. Die Gruppe aus Norwegen ist mit ihren beiden Guides ein paar Seillängen vor uns. Sie pausieren auf halber Distanz bei einer kleinen Biwakschachtel und – sie drehen um… Dunkin sagt: „That part up there is always in the shadow. Let‘s see about the conditions.“ Wir klettern ein paar Seillängen weiter und erreichen schließlich auch die Biwakschachtel. Die Norweger haben sich bereits abgeseilt und jetzt erkennen wir auch wieso. Die weiteren Routen liegen stark im Schatten, die Sonne hat fast keine Chance dort etwas auszurichten und der gestrige Schnee hat gute Arbeit geleistet. Unsere heutige Tour ist damit vorbei und wir müssen schweren Herzens annehmen, dass wir den Nelion auf dieser Reise wahrscheinlich nicht besteigen können.
Zurück an der Hütte spielen wir unsere Möglichkeiten durch. Gleich ab zu steigen wäre zwar möglich, aber da wir bereits 4 Tage im Nationalpark bezahlt haben wollen wir nicht schon nach Tag 3 wieder draußen sein. Die Chance auf besseres Wetter und einen zweiten Kletterversuch ist zwar gering, aber vorhanden. Wir entscheiden also zu warten und die Situation am Abend bzw. nächsten Morgen zu beurteilen. Im weiteren Verlauf des Tages schneit es zwar nicht mehr, aber von Sonne kann man sicherlich auch nicht sprechen und da der Gipfel bereits seit Mittag wieder im Nebel steht passiert dort oben sicherlich nichts, was uns für eine Besteigung entgegenkommen würde..

Hoch das Beinchen!!
Ziel des Tages, die erste Biwakschachtel auf ca. 5050 m ...
... und zurück übern Gletscher.

Wir stellen den Wecker auf 03:30. Falls wir es noch einmal versuchen wollen müssen wir zum Sonnenaufgang an der Wand sein. Wir werfen einen Blick vor die Hütte und sind wenig überrascht. Verblasener Altschnee, aber kein Neuschnee – Man könnte es also versuchen. Josef hat in dieser Nacht sehr sehr schlecht geschlafen und man sieht ihm an, dass die Höhe diesmal Spuren hinterlässt. Er entscheidet nach der Vernunft und bleibt an der Hütte. Ich fühle mich jedoch gut und will es versuchen! Sogleich wird Dunkin aus dem Bett geworfen und der Kocher angeheizt. Eine heiße Tasse Tee, ein paar Scheiben Brot und es geht los. Wir starten gegen 04:30 von der Hütte. Im Lichtkegel der Stirnlampen geht’s über den Lewis-Gletscher und weiter über das Geröllfeld zur Wand. Pünktlich zum Sonnenaufgang stehen wir am Einstieg in die Route (South-East-Face) und los geht’s mit der Kletterei. Das Wetter spielt mit. Da der Fels am Anfang der Route im Süd-Osten liegt, steigen wir in der frühen Morgensonne auf und die ersten Seillängen sind schnell gemacht. Bis zur Biwakschachtel kommen wir gut voran, doch dann beginnt Schnee und Eis es nicht gerade einfacher zu machen. So manche Tritte wollen erst mit dem Eispickel gebaut werden und die vereisten Griffe lassen unsere Finger und Hände fast abfallen. Eine Schlüsselstelle, der MacKinders-Chimney ist ziemlich stark vereist und gestaltet sich schwieriger als erwartet, aber wir bleiben nicht hängen und kommen gut durch. Auch die weiteren Passagen brauchen zwar Zeit, können aber verhältnismäßig gut durchsteigen werden. Die letzten beiden Seillängen sind dann eher ein einfacher Spaziergang und letztlich kommen wir nach dem 18ten Seil kurz vor Mittag auf dem Gipfel des Nelion (5188m) an.

Der Genuss ist nur von kurzer Dauer. Kurz nach unserer Ankunft zieht bereits Nebel auf. Anfangs haben wir noch mit der möglichen Querung zum Batian geliebäugelt, jedoch können wir von oben sehen, dass diese Route stark vereist ist und die zusätzlichen 3 Stunden Hin- und Rückweg können wir uns bei dem aufziehenden Nebel auch nicht erlauben. Wir machen uns also auf zur Abseilpiste um den schnellen Weg nach unten anzutreten. Nach ca. 1,5 Stunden sind wir erfolgreich abgeklettert und nach weiteren 1,5 Stunden auch zum MacKinders Camp abgestiegen, wo wir uns mit Josef und den beiden Portern verabredet haben. Herzig wie diese drei Gesellen natürlich sind, steht bereits ein großer Pot Gemüseeintopf parat, der mit etwas frischer Mango und Ananas zum perfekten Bergsteigermahl ergänzt wird! Nach einer kurzen Verschnauf- und Aufwärmphase rödeln wir wieder auf, denn wir sind ja bereits am Ende unseres 4ten Tages. Es geht also wieder zurück durch tausende Senezien des Moorlandes, durch die meterhohen Gräser der Hochlandsteppe, hinunter in den Regenwald bis zum Urs, raus aus dem Nationalpark und zurück zur Jugendherberge.

Früh morgens gehts los...
... um zum Sonnenaufgang an der Wand zu stehen.

Die Passagen sind mal mehr und mal weniger vereist.
Mt Kenya - Nelion Peak (5188 m)
Lieder zieht kurz nach unserer Ankunft Nebel auf...
... was für uns bedeutet, den "schnelle Weg nach unten" zu nehmen.

Wir fahren Kenias Hauptstadt Nairobi an. Anfangs ein Eisenbahnlager und Logistikdrehpunkt für die britische Bahntrasse von Mombasa nach Uganda ist sie heute zu einer über 2,5 Millionen Einwohner zählenden Metropole gewachsen. Was wir hier wahrnehmen haben wir so sicherlich nicht erwartet und raubt uns sprichwörtlich den Atem. Mehrspurige Autobahnen, gläserne Wolkenkratzer, moderne Limousinen europäischer Autohersteller und große Einkaufszentren mit tausenden westlichen Importprodukten. Wir sind mitten in einer Großstadt gelandet, wie wir sie uns nach den letzten Erfahrungen in Karthoum und Addis Abeba gar nicht mehr vorstellen konnten. Nach der Einfahrt in die Stadt haben wir genau zwei Ziele. Erstens: eine gute Bleibe finden, wo wir uns für ein paar Tage ausruhen und organisieren können und zweitens: SHOPPEN! Letzteres darf nun nicht mit dem meist weiblichen Drang verwechselt werden, das Fassungsvolumen des eigenen Kleiderschranks immer wieder neu definieren zu wollen, sondern dient dem rein praktischen Nutzen der genussvollen Nahrungsaufnahme. Der Konsumbunker „Nakumatt“ im hiesigen Einkaufszentrum stellt sich als unser persönliches Schlaraffenland heraus, denn hier gibt es alles was das Herz begehrt. Gemüse, Brot, Milch (frisch und haltbar), Yoghurt, Saft, Kakao, Schokolade, Käse, Aufschnitt, Nutella und von allen diesen sogar noch verschiedene Sorten. Wir sind überfordert und wissen erst gar nicht wie uns geschieht.. Nachdem wir in den vergangenen Monaten unsere Lebensmittel meist bei 5 verschieden Läden zusammensuchen mussten und Dinge wie richtiger Käse entweder gar nicht oder nur zu horrenden Preisen zu bekommen waren stehen wir nun in einer mehrere tausend Quadratmeter großen Mall und können von Smartphones über 5000-Watt-Basemachines, Fahrräder, Wohnzimmersofas, Klopapier, Rasenmäher, Espresso-Vollautomaten, Fast Food, internationaler Literatur, DVD-Raubkopien bis hin zu sämtlichen erdenklichen Lebensmitteln alles kaufen wo nach uns die Nase steht. Es wird ein Festmahl!
Als Unterkunft wählen wir einen sehr sehr overlanderfreundlichen Platz. Chris‘ Jungle-Junction ist so ziemlich der beste Platz an dem wir bisher gestanden haben. Chris ist Exil-Bayer, der nach unterschiedlichen Afrika-Aufenthalten in Nairobi hängengeblieben ist. Er ist Rocker, Biker und Mechaniker und hat mitten in der Stadt eine Guesthouse-Camping-Werkstatt-Kombi auf die Beine gestellt, die seines gleichen sucht. Hier können wir mitten im Rasen des Gartens stehen, die große Gemeinschaftsküche nutzen, im Wohnzimmer des Guesthouses abhängen, im Internet surfen und die angeschlossene Werkstatt für Reparaturen nutzen. Für jeden Fahrzeug-Reisenden ist dies also genau die richtige Anlaufstelle und auch einige Backpacker kehren hier regelmäßig ein und aus. In der Junction lernen wir Robin kennen. Robin ist 18 Jahre alt, Südafrikaner mit deutschen Eltern, in Johannesburg aufgewachsen und mit seiner 125er Yamaha auf dem Weg von Johannesburg nach Deutschland. Er hofft in der Junction auf andere Overlander zu treffen, die von Süd nach Nord unterwegs sind um mit diesen einen Konvoi für die Tour nach Äthiopien zu bilden. Er wartet insgesamt über 10 Tage, jedoch schneit niemand herein, der nach Äthiopien unterwegs ist…

Robin fährt von Südafrika nach Deutschland ...
... mit seiner 125er Yamaha!!
Allgemein haben wir das Gefühl neben Robin und ein paar Japanischen Backpackern so ziemlich die einzigen Touristen in der Stadt zu sein.. Die Wahlen in Kenia stehen vor der Tür und wir sind anscheinend nicht die einzigen, die leicht nervös bezüglich dieses Ereignisses sind. Sind doch bei den schweren Unruhen nach den letzten Parlamentswahlen ca. 1200 Menschen ums Leben gekommen. Viele NGO’s haben daher ihre Leute über die Wahlen aus Kenia abgezogen und sämtliche Touristen die wir treffen versuchen noch vor den Wahlen aus Kenia ausgereist zu sein… Wir hingegen bleiben hier. Mitten in Nairobi..:) Tragisch aber wahr ist die Tatsache, dass der kenianische Wahlkonflikt letztlich auf alte Stammesrivalitäten zurückzuführen ist. In Kenia herrschen zwei starke Parteien vor, deren Mitglieder von zwei unterschiedlichen Volksgruppen gestellt werden. Dem Stamm der „Kikuyu“ und der Stamm der „Luo“. Beide Stämme stellen je einen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen. Staatsgründer und erster Präsident Kenias Jomo Kenyatta, sowie aktueller Präsident des Landes Mwai Kibaki sind beide Kikuyu. Jedoch sind auch die Luo’s politisch aktiv. Raila Odinga von den Luo wurde nach den Manipulationsvorwürfen und den gewalttätigen Unruhen bei den letzten Wahlen zum Ministerpräsident ernannt und somit wurde die Macht damals zwischen den Kikuyu und Luo aufgeteilt. Der Vater von Amerikas Präsidenten Barack Obama gehört beispielsweise ebenfalls zu den Luo.
Diesmal stehen mehrere Kandidaten zur Wahl. Uhuru Kenyatta (Sohn von Staatsgründer Jomo Kenyatta) von den Kikuju und Raila Odinga von den Luo zählen jedoch zu den absoluten Spitzenkandidaten für das Amt des Präsidenten. Beide sind weniger intellektuell, als vielmehr durch den richtigen Stammbaum für den Präsidentschaftsposten geeignet. Uhuru Kenyatta wird sogar vom Internationalen Gerichtshof in den Haag der Prozess gemacht, da er in den Aufruhr bei den Wahlen 2007 maßgeblich involviert gewesen sein soll. Die Prognosen im Vorfeld sagen bereits, dass es ein knappes Rennen zwischen Odinga und Kanyatta wird. Auftretende Tumulte und Straßenschlachten wie bei den letzten Wahlen werden zwar nicht erwartet, können aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Am Tag der Wahlen sind wir mit Robin die einzigen zurückgebliebenen Touristen in der Junction. Wir wollen an diesem Tag verständlicherweise nicht in Nairobis Zentrum unterwegs sein, also entscheiden wir uns für einen Game-Drive im nahegelegenen Nairobi-Nationalpark. Auf dem Weg dort hin (Um bereits früh im Park zu sein fahren wir schon kurz vor Sonnenaufgang los) sehen wir bereits in der Morgendämmerung kilometerlange Schlangen vor den Wahllokalen. Öffentliches Interesse ist vorhanden und die Wahlbeteiligung anscheinend groß. Wir lenken uns erstmal mit Tierbeobachungen ab und wollen uns erst gegen Abend mit den ersten Hochrechnungen beschäftigen.
Der Game-Drive ist ein Traum. Kein Tourist im Park, kein Kenianer im Park – nur Wir! Die unglaubliche Nähe des Parks zu Nairobi ist beeindruckend. Vom Stadtzentrum erreicht man den Park in 20 Minuten und Giraffen und Zebras grasen vor einer Großstadtkulisse aus Wolkenkratzern und Wohnvierteln. Unser erster richtiger Nationalparkbesuch könnte besser nicht laufen. Wir spotten eine kleine Gruppe Löwenweibchen, ein einsames Löwenmännchen, hunderte Zebras, Gnus, Impalas und Thomson-Gazellen, Giraffen, Hartebeests, einen Serval, Schakale, Marabus, Pelikane und zwei Rhinos!! 

Hohe Wahlbeteiligung in Kenia
Durstiger Babyelefant
und viele seiner Geschwisterlein...:)
Hakuna Matata
Wildebeest
Der Nationalpark liegt sehr nah an der Stadt.
Großstadtdschungel
...
schneller Vogel
Der König der Löwen
und Rhinos!!!
 
Von Eindrücken gesättigt fahren wir zurück zur Junction. Gemäß unseren Erwartungen und Hoffnungen: Nairobi brennt nicht. Auf allen Fernseh- und Radiosendern geht es jedoch ums gleiche Thema. Die ersten Hochrechnungen zeigen einen deutlichen Vorsprung von Odinga und Kenyatta vor den anderen Kandidaten und ein knappes Kopf an Kopf-Rennen zwischen diesen beiden. Die endgültige Auszählung wird noch einige Tage dauern und wir entscheiden noch ein paar Tage in Nairobi zu verbringen um den Äthiopien-Blog fertig zu machen, dem Urs ein paar neue Bremsbeläge zu spendieren, Radlager nachzuziehen, einen neuen Wechselrichter zu verbauen, ein Paket aus der Heimat im nairobischen Postamt-Jungel ausfindig zu machen und die ein oder andere Sehenswürdigkeit mitzunehmen. Achja, da wir ja nach inzwischen zweiwöchigem Keniaaufenthalt noch immer nicht offiziell eingereist sind müssen wir natürlich noch ins Immigration-Office unseren Pass und beim Zoll das Carnet (Reisedokument für den Urs) stempeln lassen. Der ein oder andere Punkt braucht etwas länger, dafür gehen andere wie geschmiert und nach insgesamt 10 Tagen in der Jungle Junction machen wir uns wieder auf den Weg. Es geht nach Westen. 
Nairobi City...
... das Beeindruckendste was wir seit langem gesehen haben!!
...mit sauberen Märkten ...
... verschiedenen Spuren auf unterschiedlichen Ebenen ...
... uns so manch unverstandlichen Verkehrssignalen...
Das Eisenbahnmuseum in Nairobi...
... ist ein perfekter Spielplatz für uns.
In Chris Jungle-Junction trifft man Freunde...
... können Reparaturen durchgeführt werden...
... oder man spielt Couchpotato und entspannt im Deluxe-Gemeinschaftsraum.

Wir wollen einmal um den Victoriasee fahren. Daher geht’s erstmal durchs Rift-Valley, vorbei am Lake Nakuru bis zum Kakamega-Forest. Dieser Wald ist der inzwischen östlichste Zipfel des äquatorialen Regenwaldes und letzter Regenwald in Kenia. Wir Campen zwischen Baumriesen und trekken durch schmale Wanderpfade. Zum Sonnenaufgang geht’s auf eine eindrucksvollen Aussichtspunkt und wir dürfen beobachten wie der Regenwald langsam erwacht. Eine unvergessliche Geräuschkulisse!! Beim Rückmarsch springen Colobusäffchen, Kongo-Weißnasen-Äffchen, Vervet Monkeys und Blue Monkeys durch die Baumkronen der 60 Meter hohen Riesen und hunderte unterschiedliche Schmetterlinge begleiten uns beim wandern. Die hiesige Butterflyfarm ist zwar mehr ein schlechter Witz, als eine ernstgemeinte Bildungseinrichtung, aber wir sind trotzdem begeistert von diesem letzten Stückchen kenianischen Regenwald.

Sonnenaufgang überm Urwald
60 meter
welcome to the jungle
Schwer zu fotografieren die Äffchen...
...Blumen sind da einfacher... ;)
... viel einfacher...
fairy paradise
Größenvergleich
Babe, ein Schmetterling!!
Einfallsreichtum und die gute Distributionspolitik der Coca-Cola-Company.

Von Kakamega aus geht’s weiter nach Norden zum Mount Elgon Nationalpark. Der Mount Elgon liegt auf der Grenze zwischen Kenia und Uganda und mit seinen knapp 4200 Metern ist der Koitoboss-Peak nach dem Mount Kenia der zweithöchste Berg des Landes. Hier benötigt man nichts. Keine Porter, keinen Guide. Nur den Nationalparkeintritt und die Campingfee sind zu entlohnen und schon dürfen wir uns für die nächsten 24 Stunden frei bewegen. 24 Stunden für 4200 Höhenmeter? Ja! - der Vulkan Mount Elgon ist sehr flach und die Distanzen sind sehr weit. Mehrtagestrekking ist hier sicherlich wunderschön, aber wir wollen uns eigentlich nur den Gipfelbereich und die dortigen heißen Quellen etwas genauer ansehen. Wir fahren daher bis zum letzten möglichen Punkt und starten dort zu Fuß. Der Urs zirkelt sich bravourös durch die kurvigen Bergpisten und bis zu unserem Startpunkt für die Tour. Wir starten sehr hoch, was bedeutet dass wir nach ca. 7 Stunden Bergsteigen wieder am Auto sind und uns langsam auf den Weg nach unten machen. Euphorisiert von der schnellen aber durchaus anstrengenden Besteigung scherzen wir beim Abfahren vom Berg noch über die Tatsache, dass wir eigentlich noch keine wirklich schwerwiegenden Offroad-Probleme hatten und die Regenzeit ihrem Namen ja auch nicht wirklich gerecht wird. Dieses flegelhafte Verhalten sollten wir bald büßen müssen, denn keine 5 Minuten nach unserer Unterhaltung über die kenianische Kindergarten-Regenzeit passiert natürlich das, was zu diesem Zeitpunkt auch passieren muss: Es setzt Regen ein. Nun wäre der Regen nicht das Problem, wenn da nicht die verdichtete erdige aber doch mit Staub belegte Piste wäre. Nach 10 Minuten Regen bildet sich ein Schmierfilm auf der Piste die die Spurtreue unseres 4-wheel-drive-Toyotas ist nur noch mit der des Luftkissenbootes zu vergleichen. Egal wie gering die Neigung auch ist – man rutscht genau in diese Richtung bis etwas kommt, was einen aufhält. In unserem Falle ist es die Böschung und ein großer Erdhügel. Um ehrlich zu sein, wirklich spektakulär war diese Festfahr-Aktion sicherlich nicht, jedoch dürfen wir unsere Seilwinde endlich einmal einsetzen um uns sprichwörtlich selbst aus dem Dreck zu ziehen!!

Zustieg zum Koitoboss
Blick über den Nationalpark
Mt. Elgon Kenya
Die ersten da oben waren wir also schon mal nicht..
Urs in der Versenkung
unser Nachtlager bevor es weiter nach Uganda geht.

Der Mount Elgon ist somit vorerst unsere letzte Station in Kenia. Von dort aus geht es weiter nach Uganda. Wie immer also noch schnell das nötigste am Marktplatz erledigen und wieder auf die Straße ins nächste Land....

hmmm.. brauchen wir wirklich nur Wasser...
oder haben wir nicht mal wieder Bock auf nen ordentlichen Mc Chicken..!!!
Frische Luft aus dem Wireless-Kompressor.


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