Mittwoch, 27. Februar 2013

Tena yistilign!!

ጤና ይስጥልኝ! amharisch für: Hallo Zusammen!


Äthiopien in Worte zu fassen ist sicherlich nicht die einfachste Aufgabe. Sehr positive und schöne Momente werden regelmäßig von eben genau gegensätzlichen abgelöst. Das Land ist dermaßen Multikulturell und differenziert, dass man eigentlich nicht über „ein Äthiopien“ berichten kann, gewisse Charakterzüge der Menschen und eindringliche Besonderheiten ziehen sich jedoch durch das gesamte Land. Somit sind unsere Erfahrungen in Äthiopien sehr unterschiedlich geprägt und die Herausforderung für diesen Blogeintrag besteht darin, nicht zu positiv zu berichten und gleichzeitig nicht zu hart mit der lokalen Bevölkerung ins Gericht zu gehen, um damit zu versuchen Land und Leuten entsprechend gerecht werden.

Daher möchte ich nach unserer eigentlichen Reisegeschichte einen weiteren Absatz hinzufügen, der durchaus Anspruch darauf erhebt, sich kritisch mit dem Äthiopien, welches wir kennengelernt haben, auseinander setzten zu dürfen.




Aber nun, kurz zurückspulen auf zwischen die Weihnachtsfeiertage – und los geht’s:

Wir haben Weihnachten also in Sudans Hauptstadt Karthoum verbracht. Es gab während unseres Aufenthaltes keine terroristischen Anschläge auf christliche oder westliche Einrichtungen, wir waren am ersten Weihnachtsfeiertag sehr vorbildlich im Gottesdienst einer katholischen Kathedrale und haben danach relativ erfolglos versucht, mit einer Flasche Erdebeer-Kindersekt mal wieder so richtig hart Party zu machen – in Summe also eher unspektakulär…;)
Da unsere Reisedauer durchaus fortgeschritten ist und wir uns immer noch im zweiten Land Afrikas befinden, entscheiden wir uns das Land im Laufe der folgenden zwei Tage Richtung Südosten zu verlassen. Wir nehmen also wieder Platz im Fahrersitz und machen uns auf die letzten Kilometer durch den Sudan.

Pünktlich zwei Tage später erreichen wir die Grenze nach Äthiopien. Diese ist allerdings bei weitem weniger spektakulär, als die beiden vorherigen Grenzüberquerungen. Innerhalb kürzester Zeit sind die Pässe gestempelt und die Export- und Importformalitäten für den lieben Urs erledigt. Bereits jetzt ist klar, dass dieser Grenzübertritt sich sicherlich nicht als herausragendes Ereignis in unserem Gedächtnis verankern wird… Die unvergesslichen Eindrücke kommen jedoch schlagartig nach den ersten gefahrenen Kilometern und dem damit verbundenen Kulturschock.

Äthiopien ist anders – und das in vielerlei Hinsicht! Wir schreiben das Jahr 2005, Silvester wurde bereits im September gefeiert und der Tag beginnt pünktlich um 00:00 Uhr bei Sonnenaufgang. Sind wir doch im Sudan die letzten Wochen durch die endlosen Weiten dürrer und lebensfeindlicher Wüstenlandschaften gefahren geht es nun im permanenten bergauf und bergab über das fruchtbare äthiopische Hochland bis auf 3500 Meter hohe Pässe. Flora und Fauna sind definitiv wieder zurück und haben dabei ihr Gesicht drastisch geändert. Statt von Steinwüste und Dünenfeldern sind wir von Affenbrotbäumen und großen Schirmakazien umgeben. Nicht Skarabäus-Käfer und einsame Kamele, sondern Paviane und hunderte farbenfrohe Vogelarten gehören zu unseren täglichen Bekanntschaften. Moscheen werden von Kirchen abgelöst, Muslime von Christen und arabische Schriftzeichen von amharischen Lettern. Statt bei Schwarztee und Wasserpfeife verbringen die Äthiopier den Abend mit Bier und Fußball, ausgestorbene und leere Wüstenstraßen wandeln sich zu blühend-belebten Dorfzentren und freundliche arabische soziale Zurückhaltung weicht direkter Konfrontation mit Kommunikation. Dazu aber später mehr…

Nahe der sudanesischen Grenze liegen die Berge von Abessinien und da wir die letzten Wochen zwar viele Kilometer gefahren sind, ansonsten aber eher wenig Auslauf hatten, ist der Simien Mountains Nationalpark schnell als unser erstes Ziel in Äthiopien gewählt. Außerdem wird unser europäisches Silvester in Äthiopien nicht zelebriert und somit verpassen wir auch keine Monsterparty, wenn wir uns über Neujahr in den Bergen befinden..;) Die beiden Tommys (unsere britischen Freunde) lassen sich nach einiger Überredungskunst ebenfalls von dieser Idee begeistern und schon geht es gemeinsam nach Debark, dem Ort am Eingang zum Nationalpark. Dort organisieren wir unsere äthiopische Trekkingtour, laden sowohl Asri (ein Guide, der die besten Pfade kennt) und Negatou (einen „sicherheitsrelevanten“ bewaffneten Scout) in unser Auto und machen uns auf den Weg ins Herz des Nationalparks. Unser Ziel ist das wunderschön gelegene Camp Chennek auf 3700 Meter. Die Besonderheit der Simien-Mountains liegt darin, dass es hier einige endemische Tier- und Pflanzenarten gibt, die es weltweit eben nur hier im äthiopischen Hochland zu sehen gibt. Die berühmtesten Vertreter sind sicherlich die Dscheladas (Blutbrust-Paviane), der äthiopische Wolf, der äthiopische Steinbock (von dem es nur noch 500 seiner Art gibt) und der Lämmergeier. Darüber hinaus kreieren die Simien-Mountains eine äußerst spektakuläre Berglandschaft und der höchste Berg des Landes, der 4533 Meter hohe Ras Dashan, befindet sich ebenfalls in diesem Massiv. Es gibt also genug zu tun für die nächsten Tage und wir starten mit einer mehrtätigen Trekkingtour durch die Berge.
Die ersten zwei Tage verbringen wir mit akklimatisieren und laufen auf eindrucksvollen Tracks viele wunderschöne Aussichtspunkte an. Auch wenn wir am ersten Tag keine anderen Wanderer wahrnehmen, so sind wir sicherlich nicht alleine. Hunderte Dscheladas fetzen in großen Gruppen über die Wiesen. Sie lassen sich nicht durch uns stören und sind hauptsächlich mit essen, spielen, streiten und Unfug machen beschäftigt – eigentlich genauso wie wir…;)
Nach den ersten zwei Tagen ist unsere Eingewöhnungstour vorüber. Da wir sonderliche Glückspilze sind, haben wir auch in diesen zwei Tagen bereits die ganze Crew - von Steinbock über Wolf, Pavian und Lämmergeier - gesichtet. Wir entspannen einen Tag am Camp, geben uns weiterer Naturkunde hin und planen für die folgende Gipfeltour. Den beiden englischen Jungs hat das Wandern auch gefallen und sie wollen die nächsten drei Tage mit uns gemeinsam auf den Gipfel marschieren. Über hohe Pässe und durch tiefe Täler wird getrabt, durch arme Dörfer spaziert und zwischen sehr einfach bestellte Felder gewatet. Die Menschen leben hier auf 3500 Meter in einfachen Hütten (Flora und Fauna ist jedoch keineswegs mit unserer alpinen zu vergleichen), arbeiten auf den Feldern, halten Rinder und Esel und leben quasi von der Hand in den Mund. Letztlich landen wir im sogenannten Ambiko-Camp welches quasi als Basiscamp zur Gipfelbesteigung dient. Der Ras Dashan soll unser erstes 4000er-Summit werden und entsprechend sind wir ein bisschen aufgeregt. Früh morgens gegen 03:00 Uhr starten wir mit dem Aufstieg. Dieser ist eigentlich nicht besonders steil oder technisch anspruchsvoll, aber trotzdem merken wir wie uns die Höhe zu schaffen macht. Schritt für Schritt wird das Bergsteigen anstrengender und wir müssen unser sonst relativ ehrgeiziges Tempo auf ein Minimum herunterschrauben um nicht aus der Puste zu kommen. Langsam und kontinuierlich geht es voran und die letzten Höhenmeter wollen mit einer leichten Kletterei erstiegen werden. Pünktlich erreichen wir den Gipfel kurz vor Sonnenaufgang und dürfen über das weite äthiopische Bergland schauen!

Die Simien Mountains...

... bieten eine spektakuläre Bergkulisse

Die Autos kämpfen sich auf luftige Höhen..

... was zum ein oder andern Luftsprung führt ;)
Asri - unser Guide

Negatou - der echte Soldat
Josef - kein echter Soldat
Und Freddie - der süße Gun Tommy

Gemeinsam gehts auf hohe Tracks...
... und an langen Panoramawegen entlang.

Zur Stärkung gibts dann Chicken-Wings.

Blutbrustpaviane..
..sind äußerst gesellig.

der äthiopische Wolf

Lämmergeier

Adler


Silvester mit den Youngstars
Das Camp Chenneck auf 3700 Meter...
...mit dem schönsten Duschvorhang der Welt!
Neue Flora...

... mit metergroßen Lobelien.

Auf dem Ras Dashan

ohne Worte...

ohne Worte Teil 2

ohne Worte Teil 3

 Zurück an den Autos liefern wir unsere inzwischen lieb gewonnenen Guides/Scouts an der Parkverwaltung ab und machen uns auf den Weg nach Gondar. Diese Stadt liegt auf ca. 2200 Meter und ist Hauptstadt der äthiopischen Region Amhara. Im sechzehnten Jahrhundert war Gondar sogar Hauptstadt von gesamt Äthiopien und es gibt einige alte Schlösser und Kirchen zu sehen. Wir wollen die Chance natürlich auch dazu nutzen, uns wieder mit Vorräten zu versorgen und den äthiopischen Alltag etwas kennen zu lernen. Wir buchen uns folglich für 3 Tage in ein Hotel ein und verbleiben mit den Autos im hiesigen Innenhof. Unglaublich aber wahr, in eben jenem Hotel ist auch Louis, unser holländischer Freund eingebucht. Darüber hinaus picken wir dort auch Estella auf, ein Medl welches wir bereits in Dahab und in den ägyptischen Oasen kennengelernt haben. Sie hat gerade Semesterferien und ist spontan nach Äthiopien gekommen um ein bisschen Urlaub zu machen. Dies bedeutet, wir sind innerhalb eines Nahmittags wieder auf eine sechsköpfige Gruppe angewachsen. Wir nutzen also die Tage um heiß zu duschen, die geschundenen Füße etwas zu rehabilitieren und um Weihnachten zu feiern. Jaja, ihr habt schon richtig gelesen! Weihnachten wird in Äthiopien nicht im Dezember, sondern am 7. Januar gefeiert und wir haben unsere Reiseplanung natürlich so geschickt eingefädelt, dass wir dieses Jahr zweimal Weihnachten feiern können..;) Und da im Gegensatz zum Sudan in Äthiopien das Bier in rauhen Mengen fließt, müssen wir nicht zweimal überlegen, ob wir hier eine eigene Jahreshauptversammlung veranstalten! Wie sich herausstellt ist die äthiopische Mittelschicht ein sehr feier- und tanzwütiges Völkchen und es wird keine Gelegenheit ausgelassen den „Farenjis“ (lokaler Ausdruck für Ausländer) ihren traditionellen äthiopischen Schultergezuckel-Balz-Tanz beizubringen. Wir haben es genossen..;)

Estella wird uns ein paar Wochen begleiten.
Eins...

...Zwei...

...Drei... Gonder hat ganz schön was zu bieten!

Durch die geschmückten Straßen...

... gehts zum äthiopischen Weihnachtsfest!


Eines unserer neuen Hobbies: Traditionelle äthiopische Tänze!!


Ausgenüchtert und gut erholt geht es nach ein paar Tagen weiter. Wir wollen an den Lake Tana, den größten See Äthiopiens und dabei gleich die Stadt Bahir Dar besichtigen. Josef und ich sind nach den Bergen etwas angeschlagen und fangen uns eine kleine Grippe ein. Der schnelle Wechsel von den Simien Mountains (ab Sonnenuntergang fällt die Temperatur unter den Gefrierpunkt) in das tiefer gelegene äthiopische Hochland mit ca. 30°C hat wohl unser Immunsystem etwas durcheinandergebracht. Statt also Bahir Dar zu erkunden wird der Urs kurzerhand in ein Lazarett umfunktioniert und nach einem Tag und einer Nacht haben wir uns auch wieder gefangen. Anders sieht dies jedoch mit Mathildas Fieber aus… Mathilda ist der liebevoll restaurierte Landrover Defender 110, mit dem die britischen Youngstars nach Capetown cruisen. Einen Tag nachdem Josef und ich wieder gesund sind beginnt Mathilda plötzlich chronisch zu überhitzen. Unsere Erste-Hilfe-Maßnahmen zeigen sich wenig erfolgreich und so schleppen wir die Jungs ins nächste Dorf um dort eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen und Matilda etwas genauer zu diagnostizieren. Die erste Vermutung ist eine defekte Wasserpumpe. Vorsorglich haben die Boys natürlich eine entsprechende Ersatz-Wasserpumpe dabei und wir tauschen diese noch in derselben Nacht. Kühlsystem zusammenbauen, Wasser rein und Testfahrt – immer noch zu heiß… Nach einigem hin und her, etwas Logik und einem kühlen Bier müssen wir uns dann alle die Diagnose eingestehen - Zylinderkopfdichtung.
Vielleicht haben wir eine defekte Kopfdichtung als Ursache vorher bewusst ausgeblendet, aber da die 300er TDI’s bekannt für Probleme mit dem Zylinderkopf sind führt wohl kein Weg daran vorbei den Kopf abzunehmen und die Dichtung zu tauschen. Doch wie bekommt man in einem äthiopischen Bergdorf eine Zylinderkopfdichtung für einen englischen Geländewagen? Am nächsten Morgen wird abgeschleppt – 5 Stunden von Debre Tabor zurück nach Bahir Dar…

Die BritBoys am Haken.
Äthiopische Rundkirche von außen...

... und Kirche von innen.

Meerkatzen jumpen über die Dächer

Es gibt Schilfboote auf dem Lake Tana...
 
... und tausende von Pelikanen!

Der Blaue Nil entspringt im Tana-See.
Diagnose Zylinderkopf

Head Off


Leider können wir den Jungs bei der anstehenden Operation nicht wirklich helfen. Darüber hinaus ist Mathildas Liste an notwendigen Reparaturen und kleinerer Wehwehchen etwas länger und so wollen die Jungs so schnell wie möglich in eine entsprechende Werkstatt nach Addis Abeba. Da sich der liebe Urs bester Gesundheit erfreut wollen wir uns den Norden des Landes natürlich nicht nehmen lassen und entscheiden uns gemeinsam mit Estella nach Axum aufzubrechen.

Allein die Strecke von Bahir Dar über Gonder nach Axum ist die Reise bereits wert! Wir schrauben uns auf 3700 Meter hohe Pässe hoch und durchfahren eine sehr beeindruckende Berglandschaft. Außer die oben genannten gibt es eigentlich keine wirklichen Städte mehr auf dem Weg, sondern nur noch mehr oder weniger kleine Bergdörfer ohne Elektrizität. Die Menschen sind sehr arm und auf den Wegen sind viele Leute unterwegs, die Wasser in Kanistern von den Quellen hoch zu den Dörfern tragen.
Dies gilt im Allgemeinen für ganz Äthiopien. Es gibt einige gute Straßen, aber niemanden der sich ein Auto leisten könnte um damit auf diesen zu fahren. Der Äthiopier an sich fährt also nicht, er geht. Somit sind Straßen vielmehr mit Fußgängerzonen zu vergleichen. Alles Erdenkliche wird von den hiesigen Leuten von A nach B getragen. Seien es Wasserkanister, Hühner, kleine Ziegen, Feuerholz, Eukalyptus-Bauholz, Getreide, Früchte, Gemüse, Kleinkinder, größere Kinder oder andere Gegenstände des täglichen Lebens. Alles was groß genug ist um selbst zu laufen wird vor sich her Getrieben und alles was zu schwer ist zum Tragen wird auf einen Esel oder dessen Karren gepackt. Kurzum, Alles und Jeder ist auf der Straße. Somit sind die Straßen in Äthiopien nicht nur Straßen. Nein, sie sind Dorfzentrum, Spielplatz, Wochenmarkt, Kinderkrippe, Bar, Werkstatt, Bushaltestelle, Futterstelle für das Vieh und manchmal auch dessen Stall. Das gesamte soziale Leben findet auf diesen Straßen statt. Als Besitzer und Fahrer eines Kraftfahrzeugs ist man hier entsprechend in der Unterzahl und man hat keine andere Wahl, als dies zu akzeptieren.

Alltagsszene auf äthiopischen Straßen...

...und in äthiopischen Dörfern!

Ein äthiopischer Supermarkt...

...und der lokale Viehtransport.

Rinder gibts hier überall!
Zurück zur Straße nach Axum. Ab Gondar wird diese Straße zu einem Track. Bedeutet es gibt keinen Asphalt mehr, sondern nur noch einen Feldweg, der ca. 200 km durch die Berge führt. Weil die Chinesen (welche sich aktuell in ganz Afrika engagieren - natürlich völlig selbstlos…) mit dem Straßenbau quasi erst begonnen haben ist dieser Track auch relativ spektakulär. Es wird fleißig gesprengt und Fels abgetragen und allzu viele Fahrzeuge fahren nicht auf der Strecke. So kommt es durchaus vor, dass wir erstmal mit der Raupe einen fahrbaren Weg durch den Bruchstein schieben müssen um überhaupt weiter zu kommen... Für uns ist diese Strecke trotz Rüttelweg eine der schönsten bisherigen Touren in diesem Land, weil sie Äthiopien von einer sehr ursprünglichen Seite zeigt und wir das wahre Hinterland zu Gesicht bekommen. Es zeigt uns ganz klar und deutlich wieder einmal, wie hart das Leben an sich ist und dass Äthiopien zu den Armenhäusern Afrikas gehört. Das Wasser muss täglich, in alten Plastikkanistern mehrere Kilometer weit herangeschafft werden. Bevor es Injera (ein lokales traditionelles Fladenbrot aus Teff-Getreide) zum Essen gibt ist die ganze Familie dazu angehalten die steinigen Felder mit Rindern oder eigener Kraft zu bestellen, händisch zu ernten und zu dreschen. Die Lebenserwartung beträgt im Schnitt 56 Jahre und viele Waisenkinder wachsen bei benachbarten Adoptiveltern auf. Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind keine Seltenheit und von Wärmedämmung, Luftdichtheit und Zentralheizung haben nur die wenigsten Äthiopier je etwas gehört – auch wenn sie bereits erkannt haben, welches das einzig sinnvolle Baumaterial ist..;)

unglaubliche Pässe.

Kein durchkommen - erstmal Steine weg!

Wir brauchen 2 Tage für die 200 km durch die Berge und laufen pünktlich am späten Nachmittag in Axum ein. Axum war bereits im 1. Jh n. Chr. Hauptstadt des „axumitischen Reichs“ und ist immer noch religiöses Zentrum des Landes. Dieses Reich war eine Hochkultur mit Tempeln, Münzprägung, einer eigenen Schrift und großen Stelen (bis zu 30 Meter hohe Grabsteine). Im 4. Jh. n. Chr. ist der damalige König Ezena zum Christentum konvertiert und somit wurde der Grundstein für die äthiopisch-orthodoxe Kirche gelegt. Diese ist durchaus selbstbewusst, denn einer äthiopischen Überlieferung zufolge wurde die heilige Bundeslade 1000 v. Chr. aus Jerusalem gestohlen und wird bis zum heutigen Tage in der Kirche der Heiligen Maria von Zion aufbewahrt…. Überprüfen kann das niemand, denn der Raum in dem die zehn Gebote angeblich aufbewahrt werden, darf nur von einer Person, dem auf Lebenszeit berufenen Mönch, betreten werden. Die Geschichte ist trotzdem schön..;)
Obwohl Axum recht bedeutsam für Äthiopien ist, sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten nach einem Tag bereits erkundet. Die Stadt an sich hat nicht wirklich viel zu bieten und wir fahren weiter in östlicher Richtung. Das Christentum ist im Norden des Landes stark verbreitet und es gibt unzählige Kirchen, Klöster und alte Felsenkirchen, welche zum Schutz vor Feinden an unzugänglichen, versteckten und teilweise spektakulären Orten in den Sandstein des Hochlandes gehauen wurden und selbstständig erklettert werden können. Das hört sich nach ner Menge Spiel, Spaß und Spannung an und freilich können wir uns kaum halten, die ersten dieser einzigartigen Kirchen zu entdecken…

Große Stelen..
...und alte Gräber wollen in Axum erkundet werden.

Die größte Kirche des Landes.

Hier werden also die 10 Gebote aufbewahrt... Überprüfen kanns keiner.
Auf diesem Tafelberg befindet sich ein Kloster...
... dessen Zugang sich aber erst erarbeitet werden will.

Debre Damo, das bedeutendste Kloster des Landes.

Mit schönem Ausblick.

Zustieg zu einer der interessanteren Felsenkirchen.

Hoch gehts hinauf..
... bis zum spektakulären Eingang der Kirche.
Innen drin.

Hoch oben im Fels des rechten Berges befindet sich auch eine Kirche...

... von deren Eingang man über das ganze Land blicken kann!!
Die äthiopischen Priester passen auf die Kirchen auf...
... und werden häufig auch bei diesen bestattet.
 
Nach ein paar Tagen voll luftiger Kirchenkraxlerei in der äthiopischen Hochebene wird’s Zeit für uns, wieder ein bisschen runter zu kommen. Das Runterkommen darf durchaus bildlich verstanden werden. Wir vermissen die Wüste nämlich so sehr, dass wir eine kleine Tour in die Danakil Depression machen wollen. Es handelt sich dabei um eine Tiefebene, die am Beginn des Ostafrikanischen Grabenbruchs liegt. Genauer treffen hier drei Grabenbrüche zusammen was so einige geologische Besonderheiten mit sich bringt. Die Ebene befindet sich ca. 125 Meter unter dem Meeresspiegel und in dieser Region der Erde wurden die durchschnittlich höchsten Jahrestemperaturen weltweit gemessen. Die Gegend wird jedoch von den Afar beherrscht, welche sich als autonomes Volk zwischen Äthiopien, Eritrea und Dschibuti verstehen. Auf eigene Faust dort hin zu fahren ist sicherlich keine gute Idee, da wir weder die Sprache Afar sprechen und der Tourismus in dieses Gebiet immer wieder für Spannungen sorgt. Vorsicht ist also geboten!!
Wir suchen uns eine Reiseagentur, die Reisen in dieses entlegene Gebiet der Erde anbietet, da wir hoffen, dass diese bereits die richtigen Kontakte aufgebaut hat und die Sache entsprechend eingeschliffen ist. Wir finden eine gute Agentur und eine Gruppe ziemlich durchgeknallter Japaner hat bereits eine 4 tägige Tour in das Afar-Dreieck gebucht. Wir können uns also einfach als Selbstversorger an die Truppe anschließen. Der Urs bekommt die Nummer 5 und im Konvoi starten wir in die einsame Wüstengegend. Den ganzen Tag fahren wir auf steinigen Tracks die Hochebene hinunter bis in die Depression. Die Temperatur steigt enorm an und kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir unser Nachtlager, ein kleines Dorf mit einem Militärstützpunkt. Die Japaner stellen sich als äußerst lustiges und musikalisches Völkchen heraus. Ob Gitarre, Saxophon, Violine oder Vuvuzela – sie haben ihre Instrumente dabei und beherrschen diese auch mehr oder weniger..;) Estella, unsere dritte im Team, entpuppt sich als wahres Goldkehlchen und so formiert sich schnell ein jammendes Kleinstorchester, welches unter freiem Sternenhimmel den warmen Wüstenwind mit klassischen Melodien unterlegt. Ein besonderer und sicherlich einmaliger Moment!

Der Urs im Konvoi

Nr. 5 lebt!!

und ab in die Wüste!!

und zum Nachtlager!
Na ... wer ist hier ein schwuler Italiener??
Am nächsten Morgen geht’s tiefer in die Wüste. Wir startet zum Erta Ale, einem Vulkan mit aktivem Lavasee! Dieses Naturschauspiel ist allerdings nicht wirklich einfach zu erreichen.. Befahrbare Tracks gibt es nur noch wenige und so graben wir uns mit dem Urs durch ewige Wüstenkilometer und stolpern über scharfes Vulkangestein bis an den Fuß des Vulkans. Dort ist es jedoch für die Autos vorbei und uns steht eine kleine Nachtwanderung bevor. Wir tapsen in der Abenddämmerung los und steigen auf zum Krater. Noch bevor wir etwas sehen können, kündigt sich der Vulkan schon mit beißendem Schwefelgeruch an. Kurz vor Mitternacht steigen wir über eine Kuppe und sehen hinunter auf den rot-orange glühenden Krater. Der Moment ist unbeschreiblich! Wir sitzen für Stunden am Kraterrand, bestaunen spritzende und blubbernde Lava und lauschen einer Mixtur aus brummendem Höllenschlund und Beethovens 5ter gespielt auf einer Violine..


Am Anfang gibts noch Tracks...

... aber bald gibts garnichts mehr!
Über Vulkanbestein bis zum Fuße des Vulkans..
...doch letztlich gehts nur noch zu Fuß weiter!
Hinter einer Kuppe erblicken wir es...
... das Tor zur Hölle!!


Nimm das idyllischste Lagerfeuer, andem du je gesessen bist, multiplizier es mal tausend und du bist noch nicht mal nah dran.
Sonnenaufgang am Kraterrand
Estellas vulcanic sunrise.
Mondlandschaft

Nach einer Nacht am Kraterrand steigen wir wieder ab. Es geht zurück über die Offroad-Strecke und wir versuchen irgendwie den äthiopischen Autos hinterher zu kommen. Ob man das schnelle Tempo der anderen Fahrer nun deren Geländeerfahrung oder aber der ausnahmslos rücksichtslosen Fahrweise zuschreiben will ist sicherlich Ansichtssache. Nicht ohne Grund fahren die anderen Autos den Konvois innerhalb von 4 Tagen drei Reifen kaputt und reißen einen Hinterachs-Stoßdämpfer ab.. Aber so ganz ohne Schaden kommen wir aus der Geschichte auch nicht raus. Einen platten Reifen vorne links gibt’s bei der Rückfahrt vom Vulkan, was allerdings unsere Bilanz von insgesamt 2 Reifenpannen immer noch ganz gut aussehen lässt.

Was wir tun...
... und wie sich unsere schwulen Italiener die Zeit vertreiben... zwei liebenswerte Burschen!
Reifenwechsel bei 40°C - ein kräftezehrendes Unterfangen.
Der Vulkan an sich war schon sehr beeindruckend, jedoch hat die Danakil-Depression noch ein paar mehr Highlights zu bieten. Ein riesiger Salzsee dient den dortigen Afar-Nomaden als Einnahmequelle. Sie bauen in händischer Schwerstarbeit das Salz ab, verarbeiten es zu rechteckigen Platten und transportieren es mit unendlich langen Kamelkarawanen aus der Wüste ins äthiopische Hochland. 3 Birr bringt eine Salzplatte, was umgerechnet ca. 12 Euro-Cent entspricht… Das hört sich nun nicht unbedingt nach einem gutbezahlten und erstrebenswerten Job an, aber die Jungs sind verdammt schnell mit der „Plattenproduktion“ und wenn man bedenkt, dass man ein Abendessen im Lokal für ca. 35 Birr bekommt ist das garnicht so schlecht.

Mit speziellen Werkzeugen...

...werden die Salzplatten behauen, konfektioniert...

... und zu Paketen zusammengeschnürt.
 
unendlich lange Kamelkarawanen bringen das Salz dann aus der Wüste.
 
Und Esel helfen natürlich auch bei der Arbeit..:)

Angespitzte Schneidezähne - ein Markenzeichen der Afar.

Wir lassen die Salzabbaustelle hinter uns und fahren weiter über den Salzsee nach Norden. Dort ist ein großes Geothermalgebiet mit unzähligen heißen Salzwasserquellen. Das ca. 70°C heiße Wasser verdampft an der Oberfläche und die gelösten Salze und Mineralien fallen aus, was zu einer ziemlich verrückten Weiß-, Gelb- und Rotfärbung der Ablagerungen führt. Eine einmalige Landschaft ist das Resultat, die aussieht als würde sie nicht von diesem Planeten kommen...

Auf dem Salzsee gehts weiter...
 

... zu ziemlich verrückten Orten.


Wie auf einem anderen Planeten.


Science-Fiction pur!!
und zurück zum Nachtlager!

Nach 4 Tagen des Staunens über sonderbare und gleichzeitig wunderbare Orte unserer Erde orientieren wir uns wieder Richtung Zivilisation. Wir verbringen ein paar Tage in Mekele, einer Industrie- und Studentenstadt und werden mal wieder Zeuge und natürlich auch Bestandteil der äthiopischen Feier- und Tanzlaune. Wir besuchen Wolf, den Onkel eines Freundes, welcher uns für 2 Tage beherbergt. Er arbeitet an der Universität von Mekele und unterstützt bei Prozessabläufen und im Projektmanagement und hat damit natürlich ein relativ aufgeklärtes Bild von dem Äthiopien, welches wir nur aus touristischer Sicht kennen. Die Gespräche mit ihm und seiner Frau Maria sind sehr interessant und bestätigen durchaus den ein oder anderen Eindruck den wir von Land und Leute bisher gewonnen haben.

Über einen Pass gehts nach Mekele

Wir genießen ein paar frische Fruchtsäfte...

... und dürfen uns bei Maria und Wolf etwas erholen.
Es zieht uns weiter. Seit über 3 Wochen sind wir schon im Land und haben eigentlich nur den Norden (wenn auch diesen sehr intensiv) gesehen. Unser Dreiergespann düst weiter nach Süden. Wir steuern Lalibela an und erkunden die weltberühmten Felsenkirchen, die sich dort befinden. Sie wurden nicht wie die Felsenkirchen des Nordens hoch oben in den Berg eingearbeitet, sondern vielmehr nach unten in den Boden gemeißelt. Allemal sehenswert sind diese Kirchen eigentlich ein „must“ auf jeder Äthiopienreise. Dessen ist sich allerdings auch die äthiopische Kirche bewusst und somit hat diese die Eintrittspreise deutlich angezogen. Satte 50 US-Dollar sollen für die Besichtigung der 11 Kirchen berappt werden. Wir halten das jedoch für äußerst unverschämt und da wir inzwischen erkannt haben, dass die Äthiopier eigentlich in jedem Prozess gewaltige Lücken haben, wollen wir natürlich versuchen genau diese zu finden…;) Mit den zwei Briten (diese befinden sich gerade auf Testfahrt von Addis Abeba nach Lalibela, müssen aber dann wegen eines weiteren Problems wieder nach Addis) und einem italienischen Schwulenpärchen, das wir in der Danakil Depression kennengelernt haben, hecken wir einen Plan aus. Das Ticket für die Felsenkirchen ist 3 Tage gültig und eigentlich nicht übertragbar. Die britischen Boys legen vor und schaffen die Tickets auf ihren Namen an. Da weder Fotos oder anderweitige eindeutige Identifikationsmerkmale gemacht werden können und der gemeine Äthiopier keinen Unterschied zwischen einem Engländer oder einem Deutschen feststellt, ändern Josef und Ich einfach spontan unsere Namen in Frederik Barcley und Walter Baxter. Auch die beiden Italiener haben am Tag darauf kein Problem mit einem kurzweiligen Identitätswechsel und schon ist der freche Eintrittspreis fair gedrittelt...;)
Im Areal der Felsenkirchen dürfen wir neben dem normalen Kirchen-Bestaun-Programm sogar noch Zeuge eines großen äthiopischen Festes werden. Tausende äthiopische Christen haben sich um die Kirche „Bet Giyorgis“ herum versammelt. Es wird gesungen, getanzt, getrommelt und zelebriert und wir dürfen mittendrin das Geschehen beobachten und mitfeiern. Es ist nach Äthiopisch-Weihnachten in Gondar und Timkat (Taufe Jesu) in einer der Berg-Felsenkirchen das dritte religiöse Fest, welches wir hautnah miterleben und wir sind begeistert von dem Enthusiasmus, den die Äthiopier in das kirchliche Geschehen einbringen, sodass wir kurzzeitig mit ernsthaften Konvertierungsgedanken beschäftigt sind. Scherz beiseite, aber soviel Leidenschaft in einem mitteleuropäischen katholischen Gottesdienst würde wohl zum ein oder anderen Herzinfarkt führen..:)

Standart-Kirchen-Bestaun-Programm

Und ausgelassene Feierei!!
Hunderte Christen zelebrieren...
...und auch auf den hinteren Plätzen wird fleissig mitgemacht!

Intensive Gesänge...

... mit 100% Emotion!

äthiopisch-orthodoxer Priester

Die Ruhe nach dem Fest...

... dient uns als Fotokulisse.


Vollgepumpt mit christlichen Eindrücken fahren wir weiter nach Südosten. Zwei Tage geht es erst über einen Schotterpass und die Stadt Bati weiter auf eine Asphaltstraße Richtung Horn von Afrika. Kurz vor der Grenze zu Somaliland befindet sich die Stadt Harar. Sie ist Zentrum der äthiopischen Muslime, da sich arabische Muslime bei ihrer Zuwanderung hier niederlassen durften. Die Altstadt ist von einer eindrucksvollen Stadtmauer umgeben und bildet mit seinen kleinen Gassen einen positiven Kontrast zum normalen eher charakterlosen äthiopischen Standard-Stadtbild. Eine große Moschee ist vorhanden und viele Menschen treiben sich in den Gassen herum. Jedoch fällt sofort auf, dass sogut wie alle Stadtbewohner abhängig von einer Droge namens Khad sind. Khad ist eine Alltagsdroge die in dieser Region Afrikas und auch auf der arabischen Halbinsel stark verbreitet ist. Die Blätter des Khat-Strauches werden dabei gekaut und der Wirkstoff über die Mundschleimhäute aufgenommen. So gut wie jeder Bewohner des Städtchens Harar ist also parallel zu seiner normalen Alltagstätigkeit damit beschäftigt, Blätter von einem kleinen Strauß Khatzweige zu zupfen und wie wild auf diesen herum zu kauen. Auch wenn im Norden die Khatdroge ebenfalls stark verbreitet ist, so setzt Harar hier neue Maßstäbe. Gesellschaftlich akzeptiert ist quasi die ganze Stadt drauf und das merkt man auch deutlich. Benommene und verstörte Menschen, teils hyperaktiv, teils geistig abwesend sind an der Tagesordnung und verleihen dem gesamten Stadtbild leider einen äußerst negativen Touch. Wir entscheiden uns trotzdem einen Tag hier zu bleiben und suchen nach einem günstigen Hotel, wo wir im Innenhof parken und im Auto übernachten können. Die Harar’er haben jedoch etwas abgehobene Preisvorstellungen (im Schnitt bezahlen wir in Äthiopien 75 Birr, also ca. 3 Euro für eine Übernachtung), was letztlich dazu führt, dass wir auf dem Spielplatz eines Kindergartens für relativ günstiges Geld stehen können..;)
Harar hat neben seinen muslimischen Wurzeln noch eine ganz besondere Sehenswürdigkeit. Aus Schutz vor wilden Hyänen haben es sich die Stadtbewohner zu Eigen gemacht, die Hyänen zu füttern und sie damit zu zähmen. Ebenso gehören die Tiere hier zum Müllentsorgungskonzept. Dies bedeutet, dass die Hyänen nachts über spezielle Öffnungen in der Stadtmauer in das Stadtzentrum kommen und den Müll von den Straßen fressen. Zu bestimmten Zeiten kann man sogar bei der Hyänenfütterung dabei sein und diese sogar selbst füttern. Wer uns kennt, der weiß, dass wir uns so eine Action sicherlich nicht entgehen lassen.
Wir machen uns also auf zur nächsten ATM (Geldautomat) um uns für den Stadtrundgang und die bevorstehende Hyänenfütterung noch einmal mit Devisen auszustatten. Der Geldautomat liegt direkt am sog. „smuggle market“, auf dem sämtliche erdenkliche Waren verkauft werden, die zuvor über Somaliland eingeschmuggelt wurden. Amüsant für uns, da wir während der Warterei vor dem Geldautomaten nicht nur einmal beobachten dürfen, dass wohl „die falsche Person“ auftaucht und der ein oder andere „Händler“ Hals über Kopf seinen „Marktstand“ zusammenpackt und so schnell wie ein jamaikanischer Hundertmeterläufer hinter der nächsten Straßenecke verschwindet.
Der Geldautomat funktioniert nicht – wir müssen also am Schalter Kohle holen. In der Filiale steht ein weißer älterer Herr und da wir zu ner Menge Anstand erzogen wurden, grüßen wir ihn natürlich brav: „Hello, how are you?“ fragen wir. – „Servus!“ schallt uns zurück und ein warmes Heimatgefühl macht sich in unserer Magengegend breit. Dass dieses Bauchgefühl nicht nur aus Heimatemotion besteht, sondern durch echte bayerische liquide Argumente ergänzt werden will, bemerken wir bald. Denn Sepp Niedermeier ist gebürtiger Geisenfelder (für alle Nicht-Ingolstädter - Geisenfeld ist quasi Ingolstadt) und seit 15 Jahren Braumeister bei der äthiopischen „Harar Brewery“!! Diese befindet sich nur 5 Straßen weiter und nachdem die gemeinsamen Wurzeln erörtert sind, sind wir natürlich adhoc zur gemeinsamen abendlichen kostenlosen Bierverkostung eingeladen - Die Brauereibesichtigung folgt am Tag danach…;)
Die Hyänen sind ziemlich zutraulich...

... und lassen sich auch von uns füttern.
Sepp lädt uns zur Brauereibesichtigung ein ...
 
... und zum Injera-Essen danach!!

Wir lassen Harar hinter uns und peilen die Hauptstadt Addis Abeba (amharisch für „Neue Blume“) an. Visa für Kenia wollen organisiert werden, Wartungen am Urs erledigt werden und die BritenBoys, die nach ihrer negativen Lalibela-Testfahrt wieder in die Werkstatt mussten, warten dort bereits auf uns. Bevor wir uns jedoch ins Hauptstadtgetümmel stürzen, gönnen wir uns noch eine Entspannungs-Oase. Der Awash-Nationalpark liegt ca. eine halbe Tagesetappe östlich von Addis Abeba und ist der erste richtige afrikanische Nationalpark mit Antilopen, Wasserböcken, Kudus, Wildschweinen, Pavianen und einem Wasserfall mit Krokodilen. Wir können es kaum erwarten die ersten größeren Tiere zu sehen und bleiben einen Tag und eine Nacht im Nationalpark. Bis auf Kudus bekommen wir bei unseren ersten Pirschfahrten auch alles vors Gesicht oder vor die Linse. Wir campieren nicht an den Touristen-Lodges im südlichen Teil des Nationalparks, sondern fahren stattdessen an die nördlichste Spitze des Parks. Statt Touristenrummel bevorzugen wir Natur. Außerdem gibt’s dort, mitten im Palmenhain eine heiße Quelle und einen 42°C heißen Natur-Swimmingpool, der mit kühlem GinTonic zu einem noch unvergesslicheren Event wird, als er selbst bereits ist.

Unsere erste richtige Safari...

... mit Estella im Ausguck ...
... dutzenden Adlern ...
... Geiern ...

... Krokodilen...
... Oryx-Antilopen...

... kleine DikDik's...
... Wildschweine...
... Äffchen ...

... und Libellen!!! - sorry, bei der Libelle gehts mir eigentlich um die Musik..;)
Baden im schönsten Swimmingpool...
... und Slacklinen unter Palmen!!
afrikanische Mondscheinsilhouette
Thermal entspannt und fasziniert vom den ersten großen Säugetieren fahren wir nach Addis. Wir steigen in Wim’s Holland House ab, welches als inoffizielles Overlander-Hauptquartier dient. Wim ist, wie man wohl vermuten darf, ein Holländer, der mit viel Liebe zum Detail eine kleine holländische Enklave mitten in Addis Abeba aufgebaut hat. Mit Krokette, Pannekuchen und Heineken verköstigt er seine Gäste und jeden Freitag gibt’s ein größeres Fest. Viele Transafrika-Reisende machen hier einen Zwischenstopp, um sich auf die nächsten Etappen vorzubereiten, Infos auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. So manche parken sogar ihr Auto für ein halbes Jahr zwischen um vorm nächsten Winter wieder nach Afrika zu fliehen und dann ein paar Wochen oder Monate weiterzufahren. Bei Wim treiben sich also keine Leute rum, die nur Äthiopien bereisen, sondern hauptsächlich Auto-, Motorrad- und Fahrradfahrer, die sich einen größeren Teil von Ostafrika anschaun wollen. „Wie Fahrradfahrer?“ fragt sich nun sicherlich der ein oder andere – Ja, Fahrradfahrer! Im Sudan haben wir bereits ein Pärchen getroffen, die mit dem Tandem vom Nordkap nach Kapstadt unterwegs sind und in Wims Holland House treffen wir nun wieder ein paar Fahrradfahrer, die den Weg von Südafrika bis in die holländische Heimat radeln wollen. Eric und Annemieke sind zwei sehr angenehme Gesellen und bereits von Südafrika bis nach Äthiopien gestrampelt. Auch sie kämpfen sich für Water-Aid (www.waterdragersvoorafrika.nl) durch Afrikas Urwälder, Wüsten, Savannen und über die unterschiedlichsten Gebirge – Respekt!!
In Addis Abeba verabschieden wir uns auch von Estella. Wir wollen weiter Richtung Kenia und unsere Wege trennen sich nach wunderbaren 3 Wochen in Addis. Danke für die schöne Zeit und die Bilder, welche du zum Teil hier im Blog findest! Bis Irgendwann in Berlin, Cairo oder vielleicht doch Beirut...;)
Am Abend laufen die beiden BritBoys bei Wims Holland House ein. Sie kommen frisch aus der Werkstatt und Mathilda hat schon die 5te Zylinderkopfdichtung, einen neuen Turbolader, neue Öle, frische Simmerringe und Dichtungen spendiert bekommen. Nach einer fast 3-wöchigen Reparatur-Horrorstory und einem nicht vernachlässigbaren finanziellen Aufwand haben die Jungs also wieder einen zuverlässigen fahrbaren Untersatz. Denn einAuto das nicht Fährt – ist halt auch nix wert…
Gemeinsam machen wir uns an die Planungen für die weitere Strecke und unsere letzte gemeinsame Etappe. Wir wollen gemeinsam von Äthiopien nach Kenia fahren. Es gibt eigentlich nur zwei Routen die befahren werden können und beide haben so ihre Tücken. Einerseits gibt es die Hauptroute über Moyale nach Marsabit. Die „Straße“ ist jedoch in einem sehr schlechten Zustand. Wir sprechen von hunderten von Kilometern Waschbrettpiste, die meist nur eine Geschwindigkeit von 15 km/h erlauben. Der ein oder andere Auto- und Motorradfahrer ist an dieser Straße schon verzweifelt und hat sich ernsthafte Schäden am Fahrzeug eingefangen. Darüber hinaus liegt die Piste ziemlich nah an der Grenze zu Somalia und es kommt ab und an zu seriösen Zwischenfällen wie Entführungen oder Raubüberfällen… Die Alternativroute führt entlang der Ostküste des Lake Turkana von Äthiopien nach Kenia. Diese Route ist gar keine offizielle Straße mehr, sondern eine reine ca. 1000 km lange Offroadpiste mit Sandwüsten, Vulkangestein und Flußquerungen. Von Ormorate aus geht es über die sog. „grüne Grenze“, da es hier von kenianischer Seite aus keinen Grenzposten gibt… In dieser Region gibt es eigentlich keine Zivilisation mehr, sondern nur Eingeborenenstämme die in kleinen Dörfern leben. Jedoch ist so gut wie jeder männliche Vertreter der hiesigen Stämme im Besitz einer AK47 oder eines anderen Sturmgewehres.. Dies führt dazu, dass es des Öfteren Rivalitäten bezüglich Fischrechten und den dortigen Wasserquellen gibt. Da dies aber eigentlich eher ein Konflikt zwischen den Stämmen ist und sich die Aggression nicht gegen Touristen direkt richtet entscheiden wir uns für genau diese Alternativroute – 1000 km Geländefahrt inklusive.
Auch Claire, die englische Lady die wir bereits auf der Fähre Türkei nach Ägypten kennengelernt haben, ist aktuell in Addis. Sie möchte auch die Route über den Turkana-See nehmen und schnell sind wir eine Gruppe aus 2 Geländewagen und einer 400er Suzuki Enduro. Doch bevor der Spaß losgeht wird noch Addis erkundet, Auto geputzt, Visa besorgt und der Süden des Landes bereist.

Bei Wim sind wir nicht alleine...

Und verdursten werden wir auch nicht...:)

Annemieke, die fleissige Radlerrin..
... und Eric und Peter!!
Gemeinsame Reiseplanung für die nächste Etappe.
Und Claire ist auch wieder von der Partie!


Der Süden Äthiopiens ist anders als der Norden. Das Christentum nimmt ab, Straßen werden weniger und auch die Landschaft wird noch grüner und fruchtbarer, als sie bereits im Norden war. Die Menschen werden dunkler und die Gesichtszüge gleichzeitig afrikanischer. Wir steigen also nun richtig in das sogenannte Rift-Valley ein und fahren vorbei am Lake Langano und Lake Shalla, beobachten tausende von Flamingos, die allesamt Futter aus dem Wasser seihen und cruisen weiter bis Arba Minch, eine Universitätsstadt im Süden, die idyllisch zwischen zwei weiteren Seen liegt. Arba Minch ist Ausgangspunkt für jeden, der sich den Süden und Süd-Westen des Landes genauer ansehen möchte. Über eine äußerst schlechte Straße erreichbar liegt die Stadt im Bundesstaat „Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker“, was bereits viel über den Bundesstaat an sich aussagt. Die Bevölkerung verteilt sich auf ca. 45 kleine Volks- und Stammesgruppen, die häufig unterschiedliche Sprachen sprechen und noch unter traditionellen Bedingungen leben. Vertreter sind z.B. Sidama, Wolaytta, Gurage, Kaffa, Oromo, Mursi, Dorsi oder Konso und Rivalitäten zwischen den Stämmen treten immer wieder mal auf. Die Menschen leben vom Kaffeeanbau, der Rinderzucht und von der Hand in den Mund. Tiefgehende Begegnungen sind nur schwer möglich, da die Stämme in Reichweite der Zivilisation natürlich längst touristisch „versaut“ sind. Es gibt beispielsweise einen festen Gebührensatz für Fotos und auch falls man nicht fotografieren möchte ist das einzige Gesprächsthema, wieviel Geld man den Leuten denn nun schenken möchte… Letzteres ist allerdings ein Problem in ganz Äthiopien, dazu aber später mehr. Arba Minch ist bekannt für seinen beeindruckenden Nechisar-Nationalpark und den sog. „Krokodil-Market“, ein Platz des Nationalparks an dem häufig Krokodile gesichtet werden können. Da wir bereits eine Idee davon haben, wie teuer die Nationalparks in Kenia und Tansania sind, nehmen wir natürlich so viele günstige Parks wie möglich in Äthiopien mit. Es geht also wieder über harte felsige Offroadstrecken durch den Busch, vorbei an ein paar Seen und hinauf auf eine Hochebene. Dort suchen wir nach einem geeigneten Platz und bereiten unser Nachtlager vor. Auf einem idyllischen „Hochsitz“ genießen wir die Abendstunden, blicken über den beeindruckenden Lake Chamo und beobachten Zebras und Kudus beim grasen..

Am Lake Langano!

Flamingos!!

An seiner Stelle wär ich auch skeptisch..

Die Dorsi leben in diesen bis zu 15 Meter hohen Hütten...

... und Dreschen mit der Hand.

Harte Arbeit für ein Laib Brot!

Schlechte Straßen sind an der Tagesordnung.

Unser Ausguck im Nationalpark...

... erlaubt uns nach Sonnenaufgang ...

... den ein oder anderen Kudu zu sichten.

Black or White?
Von Arba Minch aus geht es weiter nach Ormorate. Es ist unsere letzte Station in Äthiopien. Hier gibt es ein Immigration-Office und wir können uns offiziell aus Äthiopien ausstempeln und auch den Urs wieder aus dem Land ausführen. Die Formalitäten sind flux erledigt und kosten nicht mal Geld… (uiuiui liebes Ägypten, Äthiopien macht ganz schön was vor!!) Wir versuchen unsere letzten Birr loszuwerden und kaufen nochmal ordentlich ein. Die nächste Etappe führt durch 1000 km unwegsames Gelände, welches von rivalisierenden bewaffneten Sämmen beherrscht wird. Für diese von uns liebevoll „Lake Turkana Death Track“ genannte Route, brauchen wir neben vollen Diesel- und Benzintanks natürlich auch ausreichend Lebensmittel. Auf dem Weg selbst können wir vielleicht etwas Ziegenmilch schnorren, Grundnahrungsmittel wollen wir aber für die nächsten Tage dabei haben. Unsere letzte Nacht in Äthiopien geht mit leckerer Kartoffelsuppe und ein paar kühlen St. George Bierchen zu Ende und am nächsten Tag starten wir bereits früh morgens ins Ungewisse – den Lake Turkana Death Track!!
Wir sagen ByeBye zu Äthiopien...
 
... und Hallo zum "Lake Turkana Death Track"!!

to be continued....




Wie bereits zu Beginn angedeutet, ein weiterer Absatz in eigener Sache:

Kritik mit Äthiopien kann sehr vielseitig ausfallen. So einiges läuft schief im Land und es dürfte besonders schwierig sein, Ursache und Wirkung entsprechend zu bewerten. Auf ein paar Dinge wollen wir aber trotzdem eingehen:

Ein allgegenwärtiges Phänomen ist die extreme und aufdringliche Bettelei. Sie zieht sich durch das ganze Land und durch alle Altersklassen. Es scheint eine Art Volkssport zu sein, innerhalb weniger Augenblicke nachdem man einen Weißen sichtet, von seiner Alltagstätigkeit abzusehen, sein elendstes Hundegesicht aufzusetzen und den Weißen mit den Worten: „You, Money!!“ zu begrüßen. Kaum bleibt man an einer Passstraße stehen, um kurz den Ausblick zu genießen, ist man bereits von einer Schaar Äthiopiern umzingelt, welche einem penetrant Kleingeld aus den Taschen betteln will. Intensive Begegnungen mit Äthiopiern sind daher nur in absoluten Ausnahmen möglich, denn spätestens beim dritten Satz wird nach einer Devisentransaktion gefragt und somit ist sämtliche Grundlage für ein weiterführendes Gespräch geraubt. Natürlich ist nicht jeder äthiopische Bettler ein böser Mensch, so wollen durchaus unterschiedliche Formen des "You-Money-Ismus" unterschieden werden:
Da gibt es einmal den klassischen „Money-Boy“. Ihn zeichnen sein strategisch bedauernswerter Gesichtszug aus und die besondere Fähigkeit, diesen innerhalb von wenigen Millisekunden ins eigene Antlitz zu zaubern. In einem bedürfniserregenden Tonfall werden dann die in Fleisch und Blut übergegangenen Norm-Floskeln „You, give me money!“ dem wandelnden Geldbeutel entgegen gehaucht. Der „Money-Boy“ selbst hat durchschnittliche Erfolgsaussichten und ist sich darüber im klaren, dass seine aktuelle Anfrage auch durchaus erfolglos verlaufen kann. Somit bleibt er meist freundlich und geht nach einem missglückten Versuch einfach wieder zu seiner normalen Tätigkeit über.
Getoppt wird der „Money-Boy“ vom sog. „Pen-Rambo“. Der gemeine „Pen-Rambo“ beginnt bereits bei mehreren hundert Metern Entfernung aus voller Kehle und in stimmbandzerberstenden Frequenzen immer wiederkehrend „Pen! Pen! Pen!“ zu schreien. In 90% der Fälle beschleunigt dieser dann seinen Körper Richtung Automobil und setzt bei einem diskreten Abstand von ca. 10 cm zur Kugelschreiber-Quelle das „Pen! Pen! Pen!“-Gehuste exzessiv fort. Unbeeindruckt von sämtlichen Negativ-anzeichen bezüglich seiner Forderung und äußerst überzeugt davon, dass seine Schreibgerät-Beschaffungs-Strategie durch die eingebrachte Intensität sicherlich noch zum Erfolg führen wird, wird solange am Bettelplan festgehalten, bis die entsprechende Eigeninitiative zur Auflösung der Situation ergriffen wird. Diese Initiative kann aus einer spontanen Flucht bestehen, indem man mit selbstbewussten Stößen auf das Gaspedal klarstellt, dass man die abzusehenden Verluste durchaus in Kauf nimmt. Alternativ besteht die Möglichkeit zum Gegenangriff überzugehen und mit deutlich übertrumpfendem rückwirkendem „Pen! Pen! Pen!“-Gebelle den einstigen Bittsteller entsprechend in die Schranken zu weisen…
Nachsichtig muss man hingegen mit den kleinen „You-You-Kids“ sein. Versaut durch das Verhalten der Älteren wurden diese soweit erzogen, dass ein weißer in einem Automobil gewisse Schlüsselreize bei ihnen auslöst. So warten häufig größere Gruppen von 5jährigen bereits am Ortseingang, laufen die kompletten 400 Meter durch das Dorf neben dem Auto her, schreien begeistert „You, You, You!!“, winken enthusiastisch und halten die Hand zu einer Bettelschale auf. Nur bei einem Bruchteil, welcher meist aus den älteren Kids kurz vor der „Money-Boy-Reife“ besteht, nimmt man ein gewisses Forderverhalten wahr. Der Rest, so möchte man erahnen, rechnet gar nicht mit einer Gabe, sondern handelt einfach so, weil es eben zum anerzogenen äthiopischen Verhaltensmuster gehört und sie überhaupt nicht wissen, wie man einem Weißen sonst begegnen sollte.

Flucht fast unmöglich
das klassisches Hundegesicht haben bereits alle drauf.

Halbstarke "Pen-Rambos"

Alle Altersklassen...

... reagieren sofort auf Weiße im Auto.

"You, give me money!!"
Ein weiteres Problem ist die fehlende Entwicklung im Land. Wir nehmen in Äthiopien leider keinen Fortschritt, sondern eher Rückschritt wahr. Alles was einst geschaffen wurde, funktioniert in der Gegenwart nicht mehr. Seien es die ausnahmslos kaputten Wasserhähne und leeren Wasserleitungen, die häufig durch einfache Wasserfässer und Schöpfbecher abgelöst werden, die permanenten und langanhaltenden Stromausfälle, die zu Schäden an technischen Geräten führen, der Verfall von teils wichtigen historischen Gebäuden und Denkmälern, oder der Niedergang der einst fortschrittlichen Eisenbahnstrecke zwischen Addis Abeba und Dire Dawa.
Dazu kommt, dass internationale Hilfe wirklich überall zu finden ist. Vor jedem Dorf findet sich ein Schild von spendablen Hilfsorganisationen, die etwas Gutes in diesem Dorf aufgebaut haben. Jedes dritte Auto trägt einen Aufkleber mit GIZ, UN, RedCross oder US AID. Zumeist sind diese Fahrzeuge nagelneue Landcruiser, die vor den teuersten Hotels stehen…
Die weltbekannten Hungersnöte werden von ausländischen Gebern aufgefangen. Nun hat Äthiopien nicht das Problem, keine fruchtbaren Böden zu haben. Ganz im Gegenteil, das Land sprießt und blüht und bietet mit fruchtbarer Erde eine solide Basis für eine flächendeckende Lebensmittelversorgung des Landes. Das Problem liegt jedoch in genau dieser flächendeckenden Versorgung. Die Menschen leben von der Hand in den Mund und es wird so gut wie keine Vorratshaltung betrieben. Wenn die Ernte regional schlecht ausfällt gibt es keine Reserven die angezapft werden können. Es gibt auch keine Instrumente der Umverteilung, dass regional schlechte Ernten mit Erträgen aus anderen äthiopischen Gebieten aufgefangen werden könnten. Die Strukturen sind einfach nicht vorhanden. Diese zu schaffen ist auch nicht notwendig, da bei einem Problem sofort die reichen Geberländer parat stehen und mit Millionenhilfen nur darauf warten, das Problem zu lösen. Wir nehmen bei vielen Äthiopiern leider eine sehr uneigenverantwortliche Mentalität wahr.
Hinzu kommt, dass Äthiopien nie wirklich kolonialisiert wurde. Der Äthiopier an sich ist darauf auch sehr stolz und fühlt sich häufig zu höherem berufen als seine Qualifikation ihm eigentlich erlaubt. Dies führt dazu, dass ein KfZ-Mechaniker sich eben nicht mehr die Hände schmutzig machen will, ein ausgebildeter Bauarbeiter am liebsten keinen Fuß mehr auf eine Baustelle setzen will und körperliche landwirtschaftliche Feldarbeit sowieso zu den unangesehensten Arbeiten überhaupt gehört. Dieser Stolz, gepaart mit dem Bewusstsein, dass der große westliche Bruder bei jedem Problem zur Seite steht ist Gift für die dringend notwendige eigenverantwortliche Entwicklung und für selbstständig erarbeitete fortschrittliche Lösungen zu den bestehenden Problemen..

Wir haben das Gefühl, dass die Entwicklungshilfe in Äthiopien ziemlich schief gegangen ist. Statt einem Volk zu helfen, sich selbst zu helfen hat man Äthiopien zu einem abhängigen Volk voller Bettlern gemacht.


Trotz dieser harten Worte sind wir zutiefst von Land und Leuten beeindruckt. Die kulturelle Vielfalt, den aktiv gelebten Traditionssinn, die Ausdauer und das beschwerdefreie Durchhaltevermögen der Leute, die wunderschönen Landschaften, die hemmungslose Zuversicht und die ansteckende Lebensfreude der Menschen haben Äthiopien mit seinen vielen verschiedenen Gesichtern für uns zu einem ganz besonderen Teil unserer Reise gemacht.





















In diesem Sinne, አመሰግናለው Äthiopien (amasegenallew / Danke Äthiopien) für diese eindringlichen und einmaligen Erfahrungen!!

Servus Äthiopien!


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