Freitag, 5. Juli 2013

Superlative Ostafrika - Teil 2 - Uganda


Aufgepasst, es geht weiter!!!

Das nächste Land auf unserer Ostafrika-Tour ist Uganda. Die Grenze ist nahe des Mount Elgon und so machen wir uns direkt vom Berg aus auf den Weg in den Nachbarstaat. Der Grenzübertritt ist relativ unkompliziert und auch der Urs darf ohne versteckte Kosten einreisen. Ca. 2 Stunden Autofahrt hinter der Grenze liegt das Städtchen Jinja das dadurch bekannt ist, als dass hier die Quelle des weißen Nil sei. Seit bereits 5 Monaten sind wir also auf dem schwarzen Kontinent unterwegs und immer noch begleitet uns der Nil auf unserer Reise. Uns Zugute kommt, dass dieser Fluss nicht nur schön anzusehen ist, sondern dass der Nil hier auf eine sehr intensive Art und Weise erfahren werden kann. Der weiße Nil hat in dieser Gegend nämlich ein paar richtig beeindruckende Stromschnellen, was äußerst dringlich zu einer Wildwasser-Raftingtour einlädt. Dass diese Action mit dickem Rotstift auf unserer To-Do-Liste steht, brauch ich wohl niemandem erklären, der auch nur ein bisschen versteht wie wir beide ticken. Die Raftingfirma ist direkt am Camp, der Instructor ein ziemlich verrückter Vogel und wir bis in die Haarspitzen motiviert. Bei unserer Ankunft wird ein langjähriger Mitarbeiter der Firma gerade verabschiedet und der neue Raftingguide willkommen geheißen. Ein Fest steht also an, zu dem wir und ein paar andere Gäste prompt geladen werden. Mit BodaBoda’s (hiesige Motorradtaxis) fahren wir und ein paar andere Gäste zum nicht allzu fernen Dorfclub in Jinja. Da Mittwoch ist, erwarten wir nicht allzu viel.. Wir kommen an und die Bude ist gerammelt voll!! Damit dürfte es sich wohl um Grund #397 handeln, der dafür spricht in Afrika am besten garkeine Erwartungen zu haben - Sie treten sowieso nicht ein…
Zusammen mit zwei Kanadiern und zwei israelischen Medls laufen wir also in dem Dorfclub ein. Gebügelt vom satten african-electro-sound aus den Speakern und den hemmungslosen Dancemoves der Locals (also der lokalen schwarzen Leute) pirschen wir durch den Open-Air-Club und tauchen bereits nach ein paar Augenblicken in den Dancefloor ein.
Die Tanzfläche dieses afrikanischen Clubs ist eine eigene Welt für sich.. Männer tanzen händchenhaltend mit Männern, Frauen werden mit jedem Intim, der es schafft seine Hüfte im entsprechenden Rhythmus am Gesäß der vor ihm Tanzenden anzudocken, Schnapsflaschen werden wie Klingelbeutel durch die Reihen gereicht und sobald sich irgendwo eine gemeinsam tanzende Kleingruppe gebildet hat, so springt bereits im nächsten Augenblick ein ziemlich abgedreht zappelnder Afrikaner in des Kreises Mitte und zettelt einen kollektiven Tanzwettbewerb an!!
Wir powern uns die Seele aus dem Leib und werfen wirklich alle erdenklichen Moves aufs Parkett, doch unsere Chancen sind gering. Obwohl wir nach europäischem Verständnis bereits intensiven, körperbetonten Ausdruckstanz betreiben, so kommen wir uns neben diesen beweglichen schwarzen Rythmusjunkies vor wie ein Pack tief meditierender Yogaschüler im mittleren Alter… Also an jeden mit Zappelfetisch: die ultimativen Moves gibt’s im ugandischen Hinterland zu holen!!
Ausgepowert vom rumgehüpfe dürstet es uns und wir ziehen weiter an die Theke. Dort angekommen wird gerade ein rotze-besoffener langhaaringer 20-jähriger Australier aus dem Club betragen. Nicht ansprechbar und mit beiden Armen über den Schultern von ein paar Mitarbeitern der Raftingfirma hängend… „That’s Tom, your Rafting-Guide for tomorrow morning!!“ rufen diese uns zu und lachen sich kugelig dabei, als sie unsere Gesichter dazu sehen…;)

Am nächsten Morgen geht’s zum Raften. Unglaublich aber wahr, Tom ist ‚in shape‘ und bereitet uns auf alles vor was noch vor, über oder unter uns liegt. Wasserfälle, Stromschnellen, stehende Wellen und lange ruhige Passagen zum durchatmen und relaxen. Unser Boot ist unglaublich stark besetzt. Tom, zwei Russen, drei Ukrainer und mittendrin: wir zwei mitteleuropäischen Hallodris.. Die ukrainische Truppe besteht aus zwei UN-Soldaten, die im Kongo arbeiten und gemeinsam mit Anna, ihrem Heimatbesuch etwas Urlaub in Uganda machen. Bereits im Vorfeld erklärt unsere Gruppe einstimmig nach was sie sucht: Action pur!! Hart im nehmen sind wir alle und so starten wir hoch motiviert in die erste Stromschnelle: ein 5 Meter hoher Wasserfall – und das Boot überschlägt sich!!
Ein Überschlag bedeutet, alle gehen baden! Jedoch ist das nicht mit einem kleinen Erfrischungs-Hopser vom Steg des Baggersees gleich zu setzen, sondern vielmehr mit einem katapultösen Flug mitten in den Schleudergang einer Industrie-Waschmaschine!! Die Strömung drückt dich unter Wasser, wirbelt und dreht dich in wirklich allen Freiheitsgraden um die eigenen Körperachsen, sorg dafür dass jenes Nass zu sämtlichen nicht ordentlich verschlossenen Körperöffnungen eindringt und spukt dich nach gefühlten 3 Minuten des Gebeutels irgendwo wieder aus! Nacheinander ploppen also unsere Teammitglieder wieder an die Wasseroberfläche, gefolgt von einem lauten „YEAH!!“-Schrei der selbigen.
Da der Wasserfall nicht die einzige Stromschnelle bleiben sollte, war es somit auch nicht der einzige Überschlag..;) Die sehnsüchtig erwartete Action bekommen wir und das Rafting sollte somit ein unvergesslicher, actiongeladener, lustiger und sehr sehr nasser Tag unserer Tour werden!!

5 Meter gehts abwärts...
... und die Teammitglieder ploppen nacheinander wieder an die Wasseroberfläche.
Hell Yeah!! Genau was wir gesucht haben!!





Wieder trocken geht’s weiter nach Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Zu Zeiten der Unabhängigkeit hatte es sicher keines der afrikanischen Völker leicht, doch Uganda hat es mit den Gewaltherrschern Milton Obote und Idi Amin im Speziellen ziemlich hart erwischt.. Diese beiden haben sich nacheinander an die Macht geputscht und das Land in feinster Diktatormanier kontrolliert. Idi Amin (auch bekannt unter dem Namen „Schlächter von Afrika“) galt als besonders Gewalt- und Herrschsüchtig. Allein während seiner achtjährigen Regierungszeit verloren über 300.000 Ugander ihr Leben und das häufig auf eine sehr brutale Art und Weise. Er lies nahe des Palastes eine Folterkammer errichten, um „politische Gefangene“, also einfach gesagt die Opposition und jeden der auch nur im geringsten Einwände hatte oder Bedenken hegte, dort zu „verhören“. Obwohl - ehrlich gesagt diente diese Kammer mehr dem Zwecke der Exekution. Das Selbstbild Idi Amins war nicht gerade Bescheiden. So gab er sich selbst den vollen Titel: „Seine Exzellenz, Präsident auf Lebenszeit, Feldmarschall Al Hadji Doktor Idi Amin Dada, Herr aller Kreaturen des Landes und aller Fische der Meere und Eroberer des Britischen Empires in Afrika im Allgemeinen und Uganda im Speziellen“.
Idi Amin ging auf Schlachtzug im eigenen Lande. Ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht und deren Bewohner brutal mit Metallrohren erschlagen. Man sagt, er lies Leichen den Krokodilen in Nil zum Fraß vorwerfen, da die Gräber nicht schnell genug geschaufelt werden konnten. In seiner „Afrikanisierungskampagne“ begann er die asiatische Bevölkerung (vorwiegend Inder) aus dem Land zu werfen. Diese hatten eine 90tägige Deadline um das Land zu verlassen, welche auch sprichwörtlich als „Deadline“ verstanden werden darf. Um internationale Unterstützung zu generieren konvertierte er zum Islam, brach seine Beziehungen zu Israel plakativ ab und unterstütze Anti-Zionistisches Gedankengut. Er brachte seinem Land den Ruin, enteignete ausländische Unternehmen, die Inflationsrate stieg auf über 1000 %, Flüchtlingsströme drückten über die Grenzen zu den benachbarten Ländern und die Wirtschaft des Landes kollabierte. 1978 begann Amin einen Krieg gegen Tanzania. Bei der Gegenoffensive fielen tansanische Truppen gemeinsam mit der UNLA (Oppositionsbewegung Ugandas) nach Uganda ein und die Hauptstadt Kampala konnte eingenommen werden. Idi Amin war zur Flucht nach Libyen gezwungen und landete schließlich in Saudi Arabien im Exil, wo er 2003 verstarb ohne sich je für seine Gräueltaten verantworten zu müssen.
Jedoch selbst nach dem Sturz Amins war in Uganda nicht gerade ein politisches Paradies geboren. Milton Obote war aus dem tansanischen Exil zurückgekehrt und drückte sich in gefälschten Wahlen, vorbei an seinem Kontrahenten Yoweri Museveni, zurück an die Macht. Museveni flüchtete in den Untergrund und kämpfte mit seiner neu gegründeten NRA (National Resistance Army) unter anderem mit Hilfe von Kindersoldaten gegen Obote. Kurz nach dem Herrschen Amins entbrannte also ein Bürgerkrieg im Lande, der wiederum über 100.000 Opfer fordern sollte. Museveni führte einen Guerillakrieg, der letztlich Früchte trug. Obote wurde gestürzt, sein Nachfolger Okello ebenfalls und so ernannte sich im Jahre 1986 Museveni selbst zum Präsidenten Ugandas. Inzwischen wurde er durch Wahlen in seinem Posten bestätigt und hat diesen auch bis zum heutigen Tage inne. Auch wenn für die erfolgreichen Wiederwahlen erst die Verfassung geändert und der politisch gefährlichste Kontrahent wegen Landesverrates und Vergewaltigung verurteilt werden musste…

Angekommen in Kampala landen wir im Kampala Backpackers, eine Anlaufstelle für so gut wie jeden Ostafrika-Rucksackreisenden. Der Laden ist fast voll und mit so vielen „Muzungus“ (hiesiger Begriff für Weißnase) um uns herum sind wir zu Beginn fast etwas überfordert. Es ist ein ständiges Ein und Aus, die Leute kommen und gehen und der Laden ist sehr belebt. Wir flüchten erstmal wieder unter die schwarze Mehrheit und erkunden die Stadt mit ein paar Boda-Bodas. Kampala liegt prächtig zwischen mehreren Hügeln und ist eine sehr pulsierende Hauptstadt. Überall rührt sich etwas und die Straßen sind voll mit Menschen. So sehr uns die hiesigen Boda-Bodas bei der Stadteinfahrt mit dem Urs noch genervt haben, umso mehr genießen wir nun die Mitfahrt auf genau solch einem einspurigen Fahrzeug!! Beschleunigungsvorteil gegen andere Verkehrsteilnehmer – Vorhanden! Spontane und absolut willkürliche Richtungswechsel – kein Problem! Luft anhalten und sich mit 30 Sachen im Schlangenkurs durch den stockenden Verkehr der Rush-Hour winden – atemberaubende Königsdisziplin!!

Kampala kann sich durchaus sehen lassen...
... allerdings brauchen wir 3 Stunden, um einmal quer durch die Stadt zu kommen.
Die Namirembe-Kathedrale von innen...
... und von außen.
Der Mengo Palace, das alte Bugandische Königshaus...
... und die von Idi Amin hinzugefügten Folter-Exekutions-Kammern.
"Boda Boda - hurry up hurry up!"
 
Wir besichtigen also die wichtigsten Punkte der Stadt. Dazu zählt die Namirembe-Kathedrale, das Nationalmuseum (welches definitiv bessere Tage gesehen hat..), die ugandische Nationalparkverwaltung und der Mengo-Palast mit den nächstgelegenen Folterkammern. Die Sonne scheint, um nicht zu sagen: Es ist heiß! Die schwüle Nachmittagshitze macht uns derart zu schaffen, dass wir retour zum Backpackers fahren. Nicht vermeiden lässt sich an jenem Abend die intensivere Bekanntschaft mit ein paar ausgeflippten Briten, einem Australier und einer verrückten Polin, die bereits seit den letzten Tagen das ganze Backpackers mit ihrer unermüdlichen Partylaune auf Drehzahl halten. Jim und Will leisten als Partypusher auch an diesem Abend einen grandiosen Job und auch wir werden freilich nicht von der sich zusammenbrauenden Feier verschont..;) So sitzen wir letztlich in einem Matatu (Ein hiesiges Kleinbus-Taxi) richtung Kampalas Club-Szenerie.. Zu Beginn ist die Disco noch von Weißnasen beherrscht, jedoch lichtet sich Stunde um Stunde das Muzungu-Volk und die schwarzen Ugander brechen herein. Wie es der Zufall will, treffen wir dort natürlich das halbe äußerst trinkfeste Raftingteam aus Jinja und auch die ukrainischen UN-Soldaten wieder. Ohne groß Details auszurufen – Der Abend wird uns allen in Erinnerung bleiben…;)
Der Nächste Morgen leider auch. Die Uhr schlägt Mittag und wir sind beide intensiv mit Ausnüchtern beschäftigt und versuchen ganz nebenbei uns das Trunkenheits-Schielen aus dem Gesicht zu treiben, da schneien plötzlich unsere drei ukrainischen Freunde ins Backpackers herein. Nicht ganz sicher, ob wir nun vor Freude laut jauchzen, oder vor Selbstmitleid weinen sollen wissen wir eigentlich bereits bei deren äußerst motivierten Ankunft, dass uns keine andere Wahl bleiben wird.. „Hey my friends! The Russians arrived! It’s Partytime!!“ - rufen sie uns entgegen. Wir realisieren den Notstand sehr schnell - und auch die Tatsache, dass es keinen anderen Ausweg als die Flucht nach vorne gibt.
So dauert es keine drei Minuten und die verrückten Russen haben schon die ersten zwei Flaschen Whiskey von der Bar geordert. Aus der Geschichte kommen wir nicht raus, also steigen wir ein!! Der Urs wird kurzerhand zur Mobilen Disco umgebaut, unser Frühstücks-Klapptisch zur Longdrink-Bar umfunktioniert und die Frisbee sorgt dafür, dass sich wirklich jeder Gast des Backpackers, der sich gerade im Garten befindet, in die mittagliche Trinkrunde eingliedern muss. Natürlich lassen sich Jim, Wil und Konsorten nicht lange bitten ihren Teil bei zu steuern und ehe wir uns versehen, laufen diese auch schon in einem Tiger- und einem Affenkostüm durch die Gegend… Die Russen haben es also geschafft, dass fast jeder Gast des Backpackers seine Tagespläne über den Haufen wirft und der feierwütigen Gesellschaft beitritt. Ich glaube ich brauch es nicht zu erwähnen - der Tag wird grandios. Das ganze Backpackers trinkt, singt, tanzt, flirtet und spielt Frisbee im Garten.

Morgens, halb 12 in Uganda...
werden nicht nur die Gäste des Backpackers gesellig!
Wie dieser Tag wohl enden wird..
Die Großwildjägerin mit ihrem Fang..;)
Monkeysafari
Nach 4 harten Tagen und 4 noch härteren Nächten sind wir uns einig: Wir müssen raus aus Kampala und im speziellen – raus aus dem Backpackers!! Unserer Leber zuliebe machen wir uns also wieder auf den Weg. Nicht alleine, denn wir haben Kinley im Gepäck. Kinley betreibt ein Hilfsprojekt in einem Dorf am Victoriasee und wir sind sehr interessiert an ihrer Arbeit. Sie betreut mit einer Amerikanischen Non-Profit-Organisation (D’Amour Step - www.damoursstep.org) ein kleines Medical Center in Kenkobe Village direkt am Lake Victoria. Jenes Medical Center wurde vor ein paar Jahren auch von D’Amour Step gebaut. Kinley ist seit einigen Monaten vor Ort, um einen eigenständigen Betrieb des Medical Centers zu kreieren und einen Neubau zu koordinieren. Derzeit wird nämlich groß investiert, denn der Neubau eines Geburtshauses ist in vollem Gange! Wir verlassen also Kampala und am frühen Nachmittag kommen wir am Medical Center an. Es gibt keinen Strom, nur ein Aggregat das abends zum Laden und zeitweisen Betrieb von Handys und Computern angeworfen wird, das Wasser kommt aus der Regenwasserzisterne oder wird vom See hoch getragen und gekocht wird auf offenem Feuer (was die afrikanischen Frauen sowieso am besten können). Das Medical Center beschäftigt 5 feste Mitarbeiter und ein paar Aushilfen, die Zeitweise dort arbeiten. Zu den Hauptaufgaben des Centers gehören in erster Linie die Behandlung von Patienten mit akuter Malaria, HIV Untersuchungen, Parasitenbehandlung und eine Vollzeit-Hebamme übernimmt Geburten in einem Nebenraum. Wir bekommen einen ersten Eindruck von dem Projekt und beim Abendbrot haben wir uns bereits entschieden: Wir bleiben ein paar Tage um zu helfen!!
Auf der Baustelle des Geburtshauses kann man uns gut gebrauchen. Der Ringanker wird gerade gemacht und es gibt genug Arbeit. Gerüste sind zu bauen, Schalungen vorzubereiten, Stahlkörbe zu flechten, Beton zu mischen und freilich, der Ringanker selbst zu betonieren. Es verspricht also interessant zu werden! Und in der Tat, bereits die ersten Stunden der Mitarbeit sind sehr belehrend für uns. Afrikanische Baustellen laufen ganz anders ab, als wir das aus der Heimat gewohnt sind. Arbeitszeit ist günstig, Baumaterial vergleichsweise teuer und damit ist Materialeffizienz definitiv der Zeitersparnis vorzuziehen. Bevor man also einmal das ganze Gebäude eingerüstet wird lieber das bestehende Eukalyptus-Gerüst 5 mal umgebaut. Genau dort hin wo man es gerade benötigt… Auch an Arbeitsmitteln fehlt es ein wenig. Mit unserer selbst mitgebrachten Japansäge haben wir insgesamt zwei Sägen, drei Hämmer, einen Winkel und ein abgebrochenes Stemmeisen auf der Baustelle. Für die Schalung des Ringankers gibt’s neben den sägerauen Bohlen noch zwei Plastiktüten voller alter rostiger Nägel, die wir vor dem Einsatz häufig erstmal gradebiegen müssen.. Auch wenns an Material und Werkzeug etwas fehlt, neben dem verantwortlichen Ingenieur Jarrod sind im Schnitt 7 Hilfsarbeiter auf der Baustelle. Im Durchschnitt deshalb, da man nie wirklich weiß, wieviele Arbeiter am Morgen denn auf der Baustelle aufkreuzen.. Hat es in der Nacht zuvor beispielsweise stark geregnet oder gestürmt, so sind viele der Arbeiter damit beschäftigt in ihrem eigenen Zuhause erst einmal für Ordnung zu sorgen und kommen daher etwas später - oder eben garnicht. Wirklich eigenständig gearbeitet wird nur von Jarrod und alle anderen helfen ihm bei der Tätigkeit, die er gerade tut. Doch auch wenn alle Mitarbeiter da sind, ist es kein Problem für den einzigen Vorarbeiter die komplette Bande zu beschäftigen. Da sämtliches Material mit der Hand hergeschafft werden will und Jobs wie „hier mal halten“ durchaus mehrere Minuten, wenn nicht sogar Stunden dauern können ist genug Arbeit für alle vorhanden. Und wenn gerade nicht genug zum Arbeiten da ist, dann schaut man halt den anderen bei der Arbeit zu - oder man klettert auf einen Baum und holt sich etwas Jackfruit um dran rumzunaschen.
Die Anwesenheit und Mitarbeit von Josef und mir ist viel Wert, da wir im Gegensatz zu den Helfern selbständig und eigenverantwortlich Arbeiten übernehmen können. Wir versuchen die Prozesse etwas zu optimieren um damit Zeit einzusparen und die Qualität zu verbessern. Für jeden Europäer offensichtlich und logisch, sind unsere Neuerungen und Veränderungen jedoch für einen Afrikaner nicht wirklich von Belang. Ganz einfache Dinge, wie eine schnell gebastelte Werkbank auf der sowohl das Werkzeug seinen Platz findet als auch die Zuschnittarbeiten extrem vereinfacht und beschleunigt werden können, werden auf diesem Kontinent einfach nicht Wert geschätzt. Zeit ist hier kein knappes Gut, sondern eine schier unendliche Ressource und auch der Qualitätsanspruch der eigenen Arbeitsleistung ist in einem Land, in dem schlicht und einfach das Provisorium als oberster zu erreichender Standard gilt, einfach einen Quantensprung weit entfernt. Somit wird die Werkbank zwar von uns zum arbeiten genutzt, aber die Jungs selbst sägen ihre Bretter und Balken weiterhin lieber im Matsch und Dreck am Boden…

Donna Carnevale Medical Center
Das Geburtshaus im Rohbau
Wir schalen den Ringanker...
und flechten die Stahlkörbe.
Dann wird betoniert.

Nach drei Tagen haben wir uns die Nachwehen des Backpackers endlich aus den Gliedern geschwitzt und wir denken über die weitere Route nach. Eigentlich steht der Mount Stanley (Magaritha Peak) im Ruwenzori-Gebirge auf dem Plan, doch die Infos die wir in Kampala bezüglich dessen Besteigung bekommen haben stimmen uns mehr als nur nachdenklich. Weit im vierstelligen Bereich soll die mehrtägige Bergtour liegen, so das erste Angebot. Und das nicht für uns gemeinsam, sondern pro Person!! Was tun!? Es geht hin und her in unseren Köpfen und Bäuchen. Für mich war der Mt. Kenya der wichtigste Peak des Kontinents und für Josef ist der Magaritha Peak der Ruwenzoriberge das Schmankerl dieser Afrika-Tour. Die Preise kann man noch nachverhandeln, da sind wir uns sicher, aber wie viel / wie wenig geht wirklich und was ist mit den ganzen anderen teuren Bergtouren die danach noch anstehen, wenn wir unser Bergsteiger-Budget bereits jetzt verblasen..? Wir entscheiden uns, uns aufzutrennen. Josef düst weiter nach Westen. Er geht in die Verhandlungen und versucht einen guten Deal auszuarbeiten. Ich bleibe vorerst in Kenkobe Village. Wenn sich ein gutes Angebot ergibt, stoße ich dazu, falls nicht investiere ich die Zeit einfach sinnvoll im Medical Center.

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Daher nun eine kleine Besonderheit. Da wir Zeitweise zur gleichen Zeit an zwei unterschiedlichen Orten waren gibt’s also auch zwei Berichte über das, was wir so erlebt haben.
Johannes im Krankenhaus des Fischerdorfs und Josef in den Bergen des Ruwenzori-Gebirges.
Wir beginnen mit dem Fischerdorf..;)

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Ich packe meine Sachen aus dem Urs und stopfe sie in meinen großen Trekking-Rucksack. Josef düst nach dem Frühstück (Es gibt Popcorn) weiter nach Westen und ich bleibe in Kenkobe Village. Ein komisches Gefühl, ist doch das Fahrzeug seit einem halben Jahr ein fahrendes Zuhause für einen geworden. Im Camilla Guesthouse, das dem Medical Center angegliedert ist, steht jedoch bereits ein Bett für mich parat und auch meine liebenswerten künftigen Mitbewohner (Lurche, Mäuse, Moskitos, Fledermäuse und eine Amerikanerin) sind schon da..;) Nein, der Ort ist überaus nett, die Leute gutherzig, das Essen monoton jedoch reichlich und der Zweck meiner Anwesenheit sinnvoll! Wir betonieren den Ringanker und den Stahlbeton-Balken des Eingangsbereiches. Dann heißt es warten. Bevor wir ausschalen können sollen ein paar Tage vergehen und da hier nichts vorgefertigt, sondern alles vor Ort gebaut wird steht die Baustelle auch erstmal still.
Ich orientiere mich um. Statt (leider ziemlich erfolgloser) Prozessoptimierung auf der Baustelle helfe ich bei der Organisation des Medical Centers. Ein Problem ist die Lagerwirtschaft. Allzu häufig gehen die Medikamente und Betriebsmittel aus und müssen dann bei Bedarf schnell mit einem Boda-Boda zu überteuerten Preisen von einer Apotheke besorgt werden. Das wollen wir ändern. Moses, der Clinical-Officer (und damit auch behandelnder Arzt) und ich durchkämmen also das gesamte Lager, führen eine Arzneimittel-Inventur durch, legen Minimum- und Maximummengen der Medikamente fest und erarbeiten ein Bestellformular, das die künftige Lagerhaltung und das interne Bestellwesen deutlich vereinfachen soll. Wir versuchen darüber hinaus die Bestellungen soweit vorauszuplanen, dass wir die Artikel künftig quartalsweise bei einem großen Arzneimittel-Versandhaus ordern können um damit die Kosten für die Medikamente drastisch zu reduzieren. Allerdings bin ich schon froh, wenn unsere Idee soweit fruchtet, dass zumindest künftig kein wichtiges Medikament mehr ausgeht..;)

Eine weitere Tätigkeit des Medical Centers: Ein HIV-Outreach steht vor der Tür und ich kann mich diesem Ereignis anschließen. Ein Outreach bedeutet, dass das Medical Center quasi Mobil wird und in eines der umliegenden Dörfer fährt um kostenlose HIV-Tests durchzuführen, Aufklärungsarbeit zu leisten und mit Rat und Tat der dortigen Bevölkerung zur Seite steht. Krankenversicherung gibt es in Uganda quasi nicht und so bleibt es meist an Hilfsorganisationen, für Aufklärung und präventive Maßnahmen zu sorgen. Mit dem einzig sinnvollen Fortbewegungsmittel, einem Boda-Boda, fahren wir ein naheliegendes Dorf an. Viele der Dorfbewohner haben sich bereits versammelt und Andrew, der Laborant des Medical Centers ist bereits dabei die ersten Blutproben zu nehmen. Vertreten sind alle Altersklassen. Von dreizehnjährigen Schulmädchen bis zu alten Herren lassen sich sämtliche Schichten des Dorfes auf HIV testen. Unterstützt von der ugandischen Regierung werden die Daten der getesteten Bürger erfasst und später in einer Datenbank abgelegt. Insgesamt über 66 Dorfbewohner können an diesem Vormittag getestet werden, für 3 leider mit der tragischen Nachricht, dass ihre Blutprobe positiv getestet wurde…

Auf dem Weg ins Dorf - zu viert auf dem Boda-Boda!
Erfassung von Patientendaten
Die Leute warten bereits vor dem Gebäude.
Alle Altersklassen nehmen Teil...
... und werden auf HIV getestet.
Zwei negative und ein positives Ergebnis...
Die Kinder des Dorfes...
... sind sehr sehr neugierig...
... und anmutig dazu!!

Kinley und ich sind nicht die einzigen Muzungus im Medical Center. Pim, ein junger Volunteer aus Holland, arbeitet ebenfalls fleißig mit. Er übernimmt administrative Tätigkeiten, erarbeitet Schulungsprogramme für Hygiene- und Karriereförderung, die er gemeinsam mit Kinley in der hiesigen Grundschule unterrichtet und versucht nebenbei immer wieder den Cash-Flow des Medical Centers etwas genauer abzubilden. Er ist ein intelligentes Kerlchen und durch seine zuvorkommende und liebenswerte Art eine große Bereicherung für das ganze Team vor Ort!

Pim an seinem Arbeitsplatz
Ostern steht vor der Tür. Außer Moses sind alle Mitarbeiter des Medical Centers Christen und somit ist Ostersonntag auch kein Arbeitstag. Pim und ich verbringen den Tag damit, zuerst die Kids aus dem Dorf und dann langsam aber sicher jeden einzelnen Mitarbeiter des Medical Centers auf die Slackline zu pushen! Ich bin erstaunt über die astreine Körperkoordination und die gute Balance dieser jungen Afrikaner. Ist man bei uns daheim schon froh, dass die achtjährigen Kids beim McDonalds nicht aus der Bällchenrutsche fallen, so schaffen es doch die ugandischen Youngstars innerhalb von wenigen Minuten über die 10 Meter Line zu laufen!! Ostern ist natürlich wie bei uns zuhause auch eine kulinarische Besonderheit! Die letzten Tage habe ich mich von Reis mit Bohnen, Kochbananen mit Kohl, Süßkartoffel und Popcorn ernährt. Heute an Ostern gibt es was Besonderes. Es gibt Fleisch! Und was isst der gemeine Afrikaner, wenn er Fleisch essen möchte? Richtig: Ziege! Die kommt natürlich nicht ausm Supermarkt, sonder wird frisch geschlachtet. Vor ein paar Stunden noch friedlich neben der Slackline im Garten gegrast, hat das Stündchen für die weiße Ronda bereits geschlagen und Hatchet, die Köchin des Medical Centers, hängt sich ordentlich ins Zeug - Es wird ein Festmahl. Gehackte Ziege mit sämtlichen oben genannten Beilagen und die Muzungus als weiße Gäste bekommen natürlich das Beste des ganzen Tieres kredenzt - Den Ziegenmagen….

Gute Körperbeherrschung die Jungs...
... und auch die älteren Damen!!
Breites Grinsen vorher...
und ganz schön nakedei nachher!
In der ugandischen Küche...
... und mit Hilfe des afrikanischen Thermomix...
... wird ein Festmahl sondergleichen kreiert!
In Kenkobe-Village bekomme ich auch Einblick in eine ganz besondere Art der Entwicklungshilfe. Kurz vor Ostern ist Andrew, der Nachbar des Medical Centers, mit einem großen V8 Landcruiser eingetroffen. Er betreibt ein Unternehmen namens SOVHEN und stellt sogenannte „Bananapads“ her. Bananapads sind Damenbinden, die in einem recht einfachen Verfahren aus Bananenblättern und Zellulose hergestellt werden. Also Öko, aus heimischen Rohstoffen und im eigenen Land produzierte Binden für die ugandische Damenwelt – eigentlich eine gute Idee. Die „Produktionshalle“ dient allerdings in erster Linie als Aufenthaltsraum, Küche, Hühnerstall und Fussballhalle und die Maschinen zur Produktion dieser „Bananapads“ liegen gemeinsam mit den Halbfertig-Erzeugnissen in der Ecke der Halle und modern vor sich hin. Produziert wird hier also sicherlich nichts (und wurde vermutlich auch nie wirklich etwas), kommuniziert wird jedoch umso mehr. Wenns ums Marketing geht, ist Andrew nämlich sehr gut vorbereitet. Mobile Messeaufsteller, die von seiner Wertschöpfungskette im eigenen Land und der astreinen Qualitätssicherung berichten, Musterprodukte in durchdesignten Give-Away-Verpackungen und eine Gruppe Dorffrauen, die auf Zuruf parat steht und die ganze Bananapads-Produktion zum kurzweiligen Scheinbbetrieb aufleben lässt, falls sich Besuch zu Besichtigungszwecken angekündigt hat. Es handelt sich also leider nur um eine oscarreife Inszenierung einer aus Drittmitteln und internationalen Spenden finanzierten Entwicklungshilfe um lokal produzierte Damenbinden zu erzeugen... Andrew hingegen fährt V8, kauft große Mengen an Bier und hochprozentigem Alkohol, funktioniert die „Produktionshalle“ kurzerhand zur Disco um und lädt als stolzierender Gockel das halbe Dorf am Ostermontag zur großen Freibier-Sause ein…
Inzwischen sind schon zehn Tage vergangen seit Josef zu den Bergen aufgebrochen ist. Einen Tag nach Ostern machen wir uns also auch auf den Weg nach Westen, wo wir mit Josef am Lake Bunyonyi verabredet sind. Der Aufmerksame Leser hat bereits gemerkt, dass ich nicht allein nach Westen unterwegs bin. Kinley und Pim begleiten mich. Sie gönnen sich eine kleine Pause vom Arbeitsleben und werden für ein paar Tage mit uns Reisen. Es wird sich also vom Medical Center verabschiedet und mit Boda-Boda, Matatu (ein Kleinbus mit 12 Sitzplätzen, jedoch Durchschnittlich. 22 Passagieren) und einem Langstrecken-Reisebus fahren wir am Dienstag nach Ostern ca. dreihundert Kilometer nach Südwesten zum oben genannten Lake Bunyonyi.

Faszinierende Kreaturen...
... sind auch auf zwei Beinen unterwegs.
Wie spiele ich die Hundharmonika?
Moses, der fleißige und sehr angenehme Clinical Officer des Medical Centers.
Byebye Kenkobe & Medical Center ...
... byebye Muzungu!!


Zeitgleich im Westen Ugandas steigt Josef auf die Ruwenzori-Berge:
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Nach den letzten ruhigeren Tagen im Medical Center fällt es mir einerseits schwer dieses zu verlassen, aber andererseits zieht es mich magisch weiter nach Westen zu den Ruwenzori-Bergen. Ich habe schon in meiner Jungend mehrere Dokumentationen über dieses Bergmassiv gesehen, die mich damals schon in den Bann gezogen haben. Ruwenzori heißt übersetzt „Regenmacher“ und diese Bezeichnung kommt nicht von ungefähr. Die Ruwenzoris liegen in Mitten der Tropen an der Grenze zwischen dem Kongo und Uganda. Täglicher Regen sowie extrem hohe Luftfeuchtigkeit sind Programm und verleihen dem Namen alle Ehre. Die Ruwenzoris sind das dritthöchste Gebirge nach dem Kilimanjaro und dem Mount Kenia in Afrika. Der höchste Gipfel ragt  5109 Meter über den Meeresspiegel hinaus und nennt sich Margherita Peak. Dort oben in der Gipfelzone gibt es mehrere Gletscher, die aufgrund der Klimaerwärmung entweder schon verschwunden sind oder noch verschwinden werden. Diese Kombination an Merkmalen ist weltweit einzigartig und ist auch der Grund, warum die UNESCO die Ruwenzoris zu einem Naturerbe ernannt hat. Aber auch die bergsteigerische Herausforderung ist einzigartig und die zu erwartenden Strapazen beschäftigen mich schon seit längerem. Ich habe am Ras Dashen und Mount Kenia viel bezüglich längeren Bergtouren in großer Höhe gelernt und auch lernen müssen und möchte kein erneutes Desaster erleben.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass ich beim ersten Anblick des  Ruwenzori-Bergmassivs während der Durchfahrt der Tiefebene im Queen Elizabeth Nationalpark tiefsten Respekt empfinde. Diese sind – wie eigentlich die meiste Zeit  - wolkenverhüllt, aber schon die sichtbaren Umrisse lassen Böses erahnen. Das Ziel für heute ist Kasese, eine kleine Provinzstadt im Osten der Ruwenzoris. Von dort aus werden alle Bergtouren normalerweise organisiert. Auf dem Weg dorthin geht es wieder zurück über den Äquator in die Nordhalbkugel und nah an der kongolesischen Grenze vorbei. Nachdem im Ostkongo seit Weihnachten wieder ein paar Partysanen zur Disconightexplosion aufgerufen haben keine gute Ecke, um als weißer Tourist nach dem nächsten Internetcafe zu fragen. Deswegen schickt anscheinend die UN bloß verrückte Russen in den Kongo, da sich diese ganz wie zu Hause fühlen – nur dreißig Grad  wärmer.
In Kasese angekommen beginnt zuerst der afrikanische Verhandlungswahnsinn, der je nach Gegenüber mal mehr mal weniger Spaß machen kann. Leider wird die in Bayern beim Verhandeln so gern verwendete „Watschn“ in Afrika als Bescheißen gewertet. Auch der in Bayern allseits bekannte Meinungsverstärker Holzknüppel ist nicht erlaubt, was es nicht einfacher macht. Da das erste offizielle Angebot in Kampala mit 1200 Dollar pro Person für eine Sechstagestour zum Margherita Peak jenseits von Gut und Böse war, werde ich alle diplomatischen Raffinessen anwenden müssen, um hier vor allem alleine ein akzeptables Ergebnis zu erzielen. Dabei gilt es in Afrika einige Verhandlungsgrundregeln einzuhalten, um erfolgreich zu sein:
·         Verhandlungen nur mit Entscheidungsträgern!
·         Anreize bieten, die die jetzige Entscheidung rechtfertigen
·         Vergleiche mit ähnlichen Gegebenheiten in der Heimat
·         Smalltalk über Fussball etc.

Ich habe dieses Mal mit dem Verhandlungspartner richtig Glück und am Ende des Tages habe ich mit dem etwas verwirrten und planlosen General Manager der zuständigen Agentur ein richtig gutes Angebot ausgehandelt. Sechs Tage Trekking mit Porter und Guide inklusive Gletscherequipment – worauf normalerweise auch horrende Leihgebühren anfallen – für ungefähr die Hälfte. Selbst die der Verhandlung bewohnenden Angestellten haben mit dem Kopf geschüttelt, als deren Chef zu dem ausgehandelten Deal eingeschlagen hat. DIA – Das Ist Afrika. An manchen Tagen gewinnt man und an manchen verliert man. Als ich am Abend Joe über das sehr gute Angebot informiere und ihm anbiete, am nächsten Tag noch in die Tour mit einzusteigen, entscheidet sich dieser leider dagegen.
Am nächsten Tag geht es am Ruwenzori-Nationalparkgate los. Zuvor bekomme ich noch meinen Guide und drei Träger zugewiesen. Ich habe mich bei der Verhandlung über die Trägeranzahl am Vortag breitschlagen lassen, da ich eigentlich einen oder zwei Träger als ausreichend erachtet habe. Als ich die Jungs aber dann live und in Farbe gesehen habe, waren für mich auch drei in Ordnung. Die Guides und Porter in den Ruwenzoris sind alle vom Volk der Twa, einem Pygmäenvolk, das in dieser Region Ugandas lebt. Diese sind alle mindestens einen Kopf kleiner wie ich, aber es wird sich die nächsten Tage sehr schnell herausstellen, dass diese unglaublich zäh und flink sind. Und so geht es am späten Nachmittag mit den vier Zwergen in die Ruwenzori-Berge.
Die erste dreistunden Etappe führt über gut ausgebaute Wege bei schönem Wetter bis zur Nyabitaba Hut (2.651 m). Die hohe Luftfeuchte reicht aber vollkommen aus, um alle getragenen Kleidungsstücke in der Zeit pitschnass werden zu lassen. Ich habe nur einen Satz Ersatzklamotten dabei und blicke sorgenvoll den nächsten Tagen entgegen, da jederzeit auch noch heftige Regenfälle in den Ruwenzoris auftreten können. Mein Guide Eric und ich gehen am Abend die Etappen der nächsten Tage durch. Ich möchte eine andere Strategie wie am Mount Kenia ausprobieren und nicht mehr über 4000 m Höhe schlafen sowie immer ausreichend Flüssigkeit trinken, um den Problemen mit der Höhenkrankheit aus dem Weg zu gehen. Ich habe meine Etappenplanung zuvor intensiv mit Karten und meiner Bergerfahrung ausgetüftelt, aber Eric sieht mich zunächst nur mit großen Augen an, willigt aber mit den Worten „Let us try“ ein.
Der nächste Tag zeigt mir auch ziemlich schnell warum und was ich in meiner Planung missachtet habe: In den Ruwenzoris Bergsteigen ist kein normales Bergsteigen! Die befestigten und gut geh baren Wege hören im Centralcircuit nach der Nyabitaba Hut plötzlich auf und verwandeln sich in Schlamm- und Moorastpfade, bei denen mit diversem Holzmaterial versucht worden ist, diese zu entschärfen. Das Holzmaterial bestehend aus Baumstämmen, Ästen, Holzlatten etc. bringt aber ein neues Problem mit sich. Falls dieses nämlich nass wird, was ja praktisch in den Tropen so gut wie nie passieren kann, dann ist dieses schmierig wie eine Seifenrutschbahn. Zu allem Unheil habe ich mich nicht für Gummistiefel sondern für meine Bergstiefel entschieden, die eine harte und unflexible Sohle haben und nicht gerade für nasses Holz geeignet sind. Wir verbringen also den ganzen Tag mit über rutschigem Holz zu balancieren, von Grasbüschel zu Grasbüschel im Sumpf zu hüpfen, Flüsse ohne Brücken zu überqueren, nasse Felsen hoch und runter zu klettern oder im Schlamm waten. Trotz allen Widrigkeiten erreichen wir das Tagesziel, die Bujuku Hut auf 3915 m mit dem Resultat nasse Stiefel und Socken, sowie schlammige Hosenbeine zu haben. Am nächsten Morgen geht es mit Eric in den gleichen Klamotten zum höchsten Gipfel in den Ruwenzoris, dem Margherita Peak auf 5109 m. Ziel ist es heute den Gipfel und danach die Kitandara Hut (3960 m)  zu erreichen. Die Höhendifferenz beträgt zwar nur knappe 1200 HM, aber auch in dieser Tagesetappe haben es die Ruwenzoris in sich und warten mit einigen Überraschungen auf den Gipfelstürmer. Die Träger nehmen einen anderen Weg zur Elena Hut (4470 m) , wo wir uns später nach dem Gipfel treffen wollen. Über eine Abkürzung geht es anfangs wieder durch Moorast, danach steil bergauf durch dichte Lobelienbestände und weiter mit Felskrakeln bis zum Margherita Gletscher. Dort legen wir das Gletscherequipment an und zu meiner Überraschung ist der Margherita Gletscher richtig steil. Teilweise auf allen vieren und mit Eispickel im Dauereinsatz geht es weiter nach oben. Aufgrund der nassen Stiefel und Socken brauche ich nicht zu erwähnen, dass es keine zehn Minuten dauert, bis meine Zehen anfangen einzufrieren. Nach einer dreiviertel Stunde auf dem Eis spüre ich meine Füße so gut wie nicht mehr und die häufig vorzufindenden Gletscherspalten lassen den Spaßfaktor nochmal ansteigen. Die Freude ist groß wieder auf Fels und fünfzehn Minuten später am Gipfel zu stehen. Diese hält aber nicht zu lange an, da es pünktlich am Gipfel zu regnen bzw. zu schneien beginnt und wir mit dem Abstieg starten müssen. Auch unter dem Begriff Abstieg wird in den Ruwenzoris Gegenteiliges verstanden. Und weil es so schön war klettern wir nach dem Abstieg des Margherita Gletschers weiter über mittlerweile nassen schmierigen  Fels ohne Sicherung hoch zum Stanley Gletscher, um diesen dann ebenfalls ohne Sicherung bei Schnee und Regen zu überqueren. Über die Gletscherspalten springen wir einfach. DIA – Das Ist Afrika. Angeblich der einzige Weg zur Elena Hut und nachdem wir den Stanley Gletscher überquert haben beginnt der eigentliche Abstieg, der sich als Nervenzerreißprobe entpuppt. Das Gelände ist extrem steil, der Fels ist richtig nass und schmierig, Versicherungen bestehend aus alten Kletterseilen sind nur an wenigen Schlüsselstellen zu finden und dementsprechend langsam kommen wir auch voran. Es dauert den ganzen Nachmittag bis wir die Elena Hut erreichen und nach einer kurzen Pause geht es direkt weiter zur Kitandara Hut. Damit dem gemeinen Bergsteiger auch hier nicht langweilig wird, müssen noch der Scott Elliot Pass mit 4372 m und mehrere hundert Höhenmeter hügeliges Gelände überquert werden. Nach über zwölf Stunden erreichen wir die Hütte und können auf eine erfolgreiche Gipfelbesteigung zurückblicken. Da es in dieser Nacht stärker zu schneien beginnt, wäre eine Gipfelbesteigung am nächsten Tag wahrscheinlich nicht mehr möglich gewesen. Wir steigen am nächsten Morgen weiter ab, müssen aber zuerst den Fresh Field Pass mit 4215 m erklimmen, bevor der endgültige Abstieg zum Gate auf 1600 m beginnen kann. Der Fels ist nach wie vor schmierig, die Schlamm- und Moorastfelder in der Südschleife intensiver als beim Aufstieg über die Nordschleife des Centralcircuit. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das Gate und sind nach dreieinhalb Tagen wieder zurück. Ich hatte ursprünglich bei der Verhandlung um Kosten zu sparen auch auf weniger Tage plädiert, aber mich dann zu sechs Tagen überreden lassen. Angeblich nicht machbar in weniger als sechs Tagen. Ich würde im Nachhinein eher auf wirtschaftliche Interessen tippen, da es in Afrika Worte wie „Rückgabe“ oder „Erstattung“ nicht gibt. In diesem Punkt habe ich jedenfalls verloren und somit ist das Gleichgewicht wieder hergestellt.










Am ersten April habe ich einen Platz für das Gorillatrekking im Bwindi Impenetrable Nationalpark in Kampala reserviert. Es ist Low Season, so dass die Preiskonditionen erträglicher sind als in der High Season. Ich bin seit Fort Portal mit dem Australier Matt unterwegs, der ebenfalls die letzten Berggorillas hautnah erleben will. Diese gibt es nirgendwo auf der Welt in Gefangenschaft zu sehen und sind nur in zwei kleinen Gebieten im Ostafrikanischen Graben zu finden. Vor allem Dian Fossey und ihrer Arbeit in der Region ist es zu verdanken, dass diese Spezies mit heute ca. 800 verbliebenen Exemplaren überhaupt noch existiert. Auf dem Weg von Fort Portal in den Bwindi Impenetrable Nationalpark macht uns vor allem der in der Regenzeit obligatorische Regen schwer zu schaffen und verwandelt die nicht geteerten Abschnitte in Schmierbahnen. Vor allem an den Steilhängen des Lake Bunyonyi ein Nervenkitzel, da ein Fahrfehler Urs inklusive uns in den See befördert hätte. Es geht alles gut uns so erreichen wir den sehr hügeligen und grünen Süden Ugandas. Das Gorillatrekking startet am Morgen mit acht Teilnehmern und den Rangern. Diese führen uns in ein Tal hinab zur Grenze des Nationalparks, wo wir eine aus siebzehn Tieren bestehende Gorillagruppe antreffen. Diese ist gerade hauptsächlich mit Fressen beschäftigt und bewegt sich langsam in Richtung Wald. Vor allem einem Silberrücken hautnah zu begegnen ist eine intensive Erfahrung, da diese Tiere zwar ungeheuer groß und kräftig sind, aber keinerlei böse Absichten verfolgen. Das ist auch gut so, da es für einen Silberrücken kein Problem sein soll, einem Menschen die Gliedmaßen auszureißen. Nachdem mir ein Silberrücken auf zwei Meter Distanz gegenüber gestanden ist, würde ich das auch ohne zu Zweifeln so bestätigen. Die Stunde bei den Gorillas vergeht im Flug und die größten Menschenaffen der Welt so hautnah in freier Wildbahn sehen zu können war definitiv ein Highlight in Ostafrika. Danach geht es zurück zum Lake Bunyonyi, an dem wir uns mit Joe, Kinley und Pim wieder treffen wollen, um gemeinsam nach Ruanda zu reisen. 






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Am Lake Bunyonyi sind wir also wieder vereint. Josef hat ebenfalls Begleitung dabei. Matt, ein junger Australier, der mit Rucksack durch Afrika tourt hat ihn bereits bei den Gorillas begleitet und ist mit von der Partie. Der See ist sehr idyllisch und lädt zum Baden und Bootfahren ein. Wir leihen uns ein paar Einbaum-Kanus und schippern einen Nachmittag im Schlangenkurs um die Zahlreichen kleinen Inseln des Sees, bevor wir uns am nächsten Tag Richtung Ruanda aufmachen werden….

Auf dem Weg zum Lake Bunyonyi...
PimPo & Johannes
Ein idyllischer See,...
...auf dem man durch die Gegend paddeln kann,...
... Gin aus Plastiktüten trinkt, ...
... versucht die Balance zu halten...
... und der uns sicher unvergessen bleibt!!


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